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Aufsatz/Bericht
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son-07-01.htm; 4/2005
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STS KHERSONES

als Votivschiff


Heinz-Rüdiger Ziemke

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Doppelsteuerrad der Khersones für „Handbetrieb” pfeil-re.gif

Am 14.08.2004 übergab Dr. Karl Ludwig Albrecht, genannt "Dr. Moses", seiner Kirche in Breklum ein Votivschiff, nämlich ein Modell des ukrainischen Dreimast-Vollschiffs KHERSONES.
Anwesend waren ca. 120 Gäste, bestehend aus Mitgliedern der Kirchengemeinde, der Besatzung des Ausbildungsschiffes, weiches zu jener Zeit in Flensburg lag, des Freundeskreises "Khersones" sowie Freunde und Mitsegler von der KHERSONES.
Musikalisch umrahmt wurde das Ereignis von dem Shantychor "Margit un de Freesen-Jungs" aus Breklum.
Ach ja: Breklum liegt in Nordfriesland in der Nähe (nördlich) von Husum.

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Votivschiff in der Kirche in Groß Zicker auf Rügen pfeil-re.gif

Votivgeschenke

Der Ursprung des Wortes Votiv stammt aus dem Lateinischen: votivus bedeutet "geweiht, versprochen". Es ist auch auf "Votum" (das Versprochene oder feierlich abgegebene Stimme) zu verweisen. In früheren Zeiten war es sehr verbreitet, seiner Kirche Weihgaben, auch "Votivgeschenke" genannt, zu machen. Das konnten Bilder, Schmuckgegenstände, die Darstellung eines Tieres, das Lesen einer Messe oder gar die Stiftung einer Kapelle sein. In nordeuropäischen Staaten waren dies häufig Schiffsmodelle. Votivgeschenke sollten die Kirche nicht nur schmücken, sondern auch eine Danksagung für Errettung aus Notsituationen, überwundene Krisen oder Ähnliches sein.
Modelle großer Kauffahrteischiffe, Schiffe der regionalen Seefahrt aber auch Feuerschiffe wurden in oft jahrelanger Arbeit von Seeleuten in ihrer Freizeit auf See oder nach Ende ihrer Fahrenszeit gebaut. Dieser aus dem Mittelmeerraum stammende Brauch ist in Kirchen des deutschen Küstengebietes seit dem 12. Jahrhundert belegt.

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Khersones im Dock mit dem neuerem Anstrich ‚mennigerot’. pfeil-re.gif

So gibt es in Dänemark auch zwei Inselkirchen, die als Votivschiffe ausschließlich Modelle von Feuerschiffen erhalten haben. Auf beiden Inseln wurden schon in früheren Zeiten von den Fischern Leuchtfeuer betrieben. Diese Votivschiffe sind ein offensichtlicher Beweis für die Dankbarkeit so manchen Handelsherrn oder Seefahrers für die sichere Passage der Gewässer.

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Votivschiffe moderner Bauart, abgesehen von den Feuerschiffen, sind aber selten. So ist mir neben dem KHERSONES-Modell in Breklum kürzlich in der "Kleinen Kirche in Groß Zicker" auf Rügen ein einfaches Votivschiff aufgefallen, welches erst am 3.06.2001 gestiftet wurde. Es handelt sich um eine Galeasse mit Spiegelheck ohne Gaffelsegel (siehe Foto oben). Aber zurück zum Modell der KHERSONES. Sie entspricht in ihrer Detaillierung nicht der traditionellen Ausführung eines Votivschiffes, denn wir sehen hier das Modell eines Schiffes, weiches noch in Betrieb ist und das dem Vorbild möglichst exakt entspricht.

Traditionelle Votivschiffe wurden immer einige Meter über dem Betrachter aufgehängt. Daher war es bedingt durch den Blickwinkel des Betrachters von ca. 50-60° notwendig, die Proportionen zu verändern: Der Rumpf wurde unterdimensioniert, die Ausrüstungsgegenstände hingegen vergrößert, evtl. Kanonenrohre ragten übertrieben weit aus den Stückpforten und auch die Takelage wurde überdimensioniert. Aus der Sicht des Betrachters sollten auf diese Weise die Proportionen wieder stimmen.
Traditionelle Votivschiffe waren somit keine vorbildgetreuen Nachbauten existierender Schiffe, sie sind aus technisch historischer Sicht vielmehr zeitgenössische Modellschiffe.

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’Schiffsschraube’ der Khersones,
ausgeführt als Verstellpropeller mit 3000mm Durchmesser.
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STS KHERSONES

Das ukrainische Segelschulschiff (STS = Sail Training Ship) KHERSONES und ihr russisches Schwesterschiff MIR wird allen Lesern, die schon einmal die Gelegenheit hatten, eine der vielen Segelveranstaltungen oder Hafentage an den deutschen Küsten zu besuchen, bekannt sein.

Das Dreimast-Vollschiff mit 2770 m2 Segelfläche bei 26 Segeln fährt seit nunmehr 15 Jahren in Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter INMARIS Perestroika Sailing, Hamburg. In dieser Zeit der Zusammenarbeit, wurden rund 4000 ukrainische Kadetten für die ukrainische Fischerei und Handelsflotte ausgebildet. 6.500 Trainee-Seereisen, 95 Firmenchartern und ca. 32.000 Teilnehmer an Tagesfahrten halfen durch die dadurch eingenommenen Gebühren, das Schiff in Fahrt zu halten.

Dr. Albrecht hat an zahlreichen Fahrten der KHERSONES teilgenommen. So war er auch auf der bekannt gewordenen Kap-Hoorn-Umrundung im Jahre 1997 mit dabei, wobei er auch drei Monate lang als Bordarzt fast einem ganzen Kadettenjahrgang zu den nötigen Zahnreparaturen nach westlichem Standard verhalf. Nach dieser Reise blieb er noch mehrere Reisen lang als Verbindungsoffizier an Bord. Der Verbindungsoffizier stellt den Kontakt zwischen der Schiffsführung und den als Gästen mitreisenden Trainees her, er vertritt auch den Reiseveranstalter oder den Charterer an Bord.
Einem größeren Kreis von KHERSONES-Freunden ist Dr. Albrecht unter dem Namen „Moses“ bekannt.
Und nun suchte Dr. Albrecht ein Modell der KHERSONES, um es, der alten Tradition folgend, seiner Kirche zum Geschenk zu machen.

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Das Votivschiff Khersones,
am Bug und Heck sind die Schnüre zur Aufhängung erkennbar.
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Der Modellbau

Über einen Modellbaukollegen, der den Kontakt herstellte, kenne ich einen Modellbauer in Stettin, der durch die Privatisierung der polnischen Werftindustrie über einen unsicheren Arbeitsplatz bei einer Stettiner Werft und über schlechte Bezahlung klagte.

Durch meine Vermittlung und nach Klärung der wichtigsten Ausführungsfragen ging ein Auftrag über den Bau eines Modells der KHERSONES in schriftlicher Form nach Polen. Neben dem Preis waren der Fertigstellungstermin, ein Zwischentermin für eine Inspektion und für beide Parteien Rücktrittsklauseln vorgesehen.

Die Zwischenbesichtigung sollte nach 3 Monaten, die Ablieferung nach 7 Monaten erfolgen, die Bauunterlagen wollte der Modellbauer in Polen selbst beschaffen.

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Es ist soweit: Das Modell wird in die Kirche in Breklum gebracht,
rechts der Stifter Dr.Albrecht.
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Wir Modellbauer waren uns darüber einig, daß die vorgesehene Ausführung des Decks und die der Bullaugen für die geplante Präsentation als Votivschiff zu arbeitsaufwendig werden würde. Die Modellbauer hofften aber immer noch, daß die Aufstellung in einer Vitrine erfolgen und das Modell somit vor äußeren Einflüssen geschützter sein würde, als es bei einem Votivschiff der Fall wäre. Hier wäre die Verschmutzung durch Staub etc. zu nennen und daraus folgend nicht zu vermeidende Beschädigungen bei unsachgemäßen Reinigungsversuchen. Dr. Albrecht beharrte aber bis zum Schluß auf der Variante einer freien Aufhängung. Daher hätten aufgezeichnete Deckplanken und aufgeklebte Bullaugen natürlich völlig ausgereicht.

Es war von vorneherein nicht geplant, das Modell schwimmfähig zu bauen. Im Gegenteil, es war sogar wünschenswert, daß der Rumpf ein "gutes" Gewicht bekommen sollte, damit das Modell die Aufhängung gut spannt und bei evtl. Luftzug nicht zu leicht pendelt.

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Vorbereitungen an der Aufhängevorrichtung. pfeil-re.gif

Obwohl der beauftragte Modellbauer aus früheren Zeiten gute Beziehungen zur Bauwerft hat, war die Werft nicht bereit, die Orginalpläne zugänglich zu machen. So mußte der Spantenriß, basierend auf den Angaben einer polnischen Modellbauzeitschrift, maßstabgerecht gezeichnet werden. Auch waren Zwischenspanten zu konstruieren, da die Anzahl der Spanten in der Modellbauzeitschrift zu gering war und so der Spantenabstand für das 1:100-Modell zu groß geworden wäre.

Der Modellbauer hatte in Stettin die Gelegenheit, das Typschiff der Schulschiffserie, welcher auch die KHERSONES angehört, zu besichtigen und ausführlich zu fotografieren. Der Besuch auf der DAR MLODZIEZY stellte sich aber als nur bedingt hilfreich heraus, da sich die Schiffe inzwischen nach diversen Umbauten doch deutlich voneinander unterscheiden. KHERSONES und DAR MLODZIEZY weichen z. B. bei den Deckshäusern, der Brücke, den Antennen und den Rettungsmitteln voneinander ab.

So mußten dicke Stapel von Urlaubsbildern, hauptsächlich im Hinblick auf die Ausführung der Aufbauten und der Decksausrüstung, ausgewertet werden. Die Belegpläne für das laufende Gut konnten dem Handbuch für Mitsegler der KHERSONES entnommen werden.

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Das Votivschiff in der Kirche von Breklum,
bereit zum Hochziehen.
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Bauweise

Gemäß den obigen Anforderungen entstand der Rumpfkern in einer abgewandelten Schichtbauweise. Auf einem Hellingbrett wurde das Spantengerüst auf dem Kiel des Modells errichtet. Der Kiel erhielt Einschnitte zur Positionierung der drei Masten und des Klüverbaums. Anschließend wurden die Zwischenräume zwischen den Spanten mit Holz (Schichten je etwa 10 mm) ausgefüllt. Hierzu kam selbstgeschnittenes Pappelholz zum Einsatz. Mit Weißleim verleimt, bildet der Rumpfklotz so einen verzugsfreien Kern.

Ein freier Innenraum im Rumpf war ja nicht erforderlich.
Nach grober Formgebung durch Abraspeln auf die Spantenprofile und Feinschliff mit Schleifpapier wachsender Körnung, bekam der Rumpf so seine Grundform. Die Formgebung wurde immer wieder mit Pappschablonen kontrolliert, die den Außenverlauf der Spanten wiedergeben.

Um einer Rißbildung vorzubeugen, wurde der Rumpf vorsorglich noch mit zwei Lagen Köper-Glasgewebe 163 g/m²) überlaminiert, gespachtelt und nochmals mit Feinschliff auf seine Endform gebracht.

Um einen gleichmäßigen Verlauf der Bullaugenreihe (parallel zum Decksverlauf) zu erhalten, fertigte der Modellbauer aus einem Blechstreifen eine Bohrschablone an, mit deren Hilfe dann 4-mm-Sacklöcher in den Rumpf eingebracht wurden. Diese Bohrlöcher wurden dann nach der endgültigen Farbgebung des Rumpfes tropfenweise mit Laminarharz ausgefüllt, aber nicht randvoll, so daß der Eindruck einer zurückgesetzten Bullaugenverglasung entsteht.

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Detailaufnahme pfeil-re.gif

Durch das Ausfüllen der Spantzwischenräume mit Holz hatte das Deck eine komfortable, satte Auflage und so konnte als Basis für die Decksplanken 2mm Flugzeugsperrholz verwendet werden. Die Orginalschiffe haben übrigens keine Decksbeläge aus Tropenholz, so daß beim Modell astfreie Birkenholzleisten verlegt werden konnten, die im Farbton dem beim Original verwendeten nordischen Holz gleichen. Besagte Leisten wurden mit einer Profi-Feinschnittsäge in mehreren Arbeitsgängen auf das Endmaß 50 x 1,5 x 0,5 mm geschnitten und die Kanten mit einem wasserfesten Faserstift schwarz gefärbt, um so die Kalfaterung zu imitieren.

Nach Aufzeichnen der decksplankenfreien Flächen, wie z. B. Ankereinrichtung, Grundflächen der Deckshäuser, Mastfüße etc., wurden diese Flächen mit Messing-Winkelprofilen eingefaßt, welche die Begrenzung des Deckbelages darstellen. Der Wassergang ist beim Originalschiff als U-Eisen ausgeführt. An den inneren Schenkel schließt das Laibholz an und an dieses die Decksplanken, welche versetzt verlegt sind. An den inneren Schenkel des U-Eisens sind die Relingstützen geschweißt (beim Modell gelötet). Obwohl für die Verwendung als Votivschiff nicht notwendig, wurde dieser aufwendige Aufbau auch beim Modell nachgebildet.

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Detailaufnahme pfeil-re.gif

Nach Verlegen der Decksplanken wurde das Deck in Längsrichtung (Faserrichtung) mit einem passenden Zieheisen (geeignet ist auch eine Glasscherbe oder z. B. ein Diaglas), glattgezogen und so auch von Klebstoffresten gereinigt, anschließend erfolgte eine matte Versiegelung.

Die Deckshäuser und die Kommandobrücke bestehen aus Messingblech und Polystyrol, wobei alle Fenster- und Türöffnungen ausgefeilt werden mußten. Anschließend wurden diese mit durchsichtigem Kunststoff hinterlegt. Auch hier wollte der Modellbauer nicht auf für ihn einfachere Imitationen ausweichen, die bei einem Votivschiff zulässig gewesen wären. In diesem Baustadium wurden nun noch all die Decksausrüstungen gebaut und montiert, die nach dem Aufstellen der Takelage nur noch schwer anzubringen gewesen wären.

Die geschilderten Arbeiten hatten bis jetzt etwa die Hälfte der erforderlichen Bauzeit verschlungen, aber auch der Bau und das Aufstellen der Masten, das Anschlagen der Rahen mit den gerefften Segeln und das Erstellen der weiteren, zahlreichen Teile der Takelage erforderte nochmals einen erheblichen Zeitaufwand.

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Detailaufnahme pfeil-re.gif

Es würde den Umfang dieses Berichtes sprengen, wollte man auf die diversen Bautechniken und Materialien eingehen, die beim Bau des Modells angewendet wurden.

Erwähnt sei nur, daß sehr viele Baugruppen praktisch neben dem Modell gebaut werden mußten, um dann komplett fertiggestellt montiert werden zu können. Hierzu gehörten auch die Wanten mit den Webleinen. Zu der Übergabefeier des Modells an die Kirche in Breklum war auch eine Delegation von der KHERSONES eingeladen worden. Die Abordnung bestand aus dem Kapitän, Mitgliedern der Stammbesatzung und des eingeschifften Kadettenjahrgangs.
son-07-01-b13k.jpg Die Experten inspizierten das Modell natürlich gleich aus nächster Nähe und sie fanden nur wenig Abweichungen von "ihrem" Schiff. So beanstandeten sie die gleiche Ausführung der beiden Radargeräte der Fa. STN-Atlas, die doch eigentlich von unterschiedlichen Abmessungen seien. Ferner vermißten sie die tatsächlich vorhandenen Relings auf den Salingplattformen. Ansonsten waren sie aber zufrieden mit dem Modell. Ist das nicht ein gutes Kompliment für den Modellbauer aus Stettin?

Das Modell hängt nun über V-förmig verlaufende Nylonfäden, die an den beiden Decksösen befestigt sind, mittels einer schmiedeeisernen Konstruktion an einem Hanftau von der Decke des Kirchenschiffs. Dank dieser Aufhängung wird die Takelage nicht von den Nylonfäden berührt. Im Deckenbereich wird das Tau übrigens durch ein Stahlrohr geführt, und so das Votivschiff vor Mäusebesuchen geschützt ...


Heinz-Rüdiger Ziemke
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