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son-04-20.htm; 06.2003

Spruch des Seeamtes zu Brake

Vom 22. März 1900, betreffend den Seeunfall der Tjalk "KÄTE" von Oldenburg.

son-04-20-b01.jpgDer Spruch des Seeamtes lautet:

Die Tjalk "KÄTE" aus Oldenburg hat am 14. Okt. 1899 Bremerhafen verlassen, um nach Granton zu gehen. Sie hat widriger Winde und Stürme halber, denen Sie bei ihrer Bauart wenig Widerstand leisten konnte, ihren Bestimmungsort nicht erreichen können, sondern ist bis zum 5. Jan.1900 in der Nordsee zwischen Schottland und Norwegen umher getrieben ohne einen Nothafen anlaufen zu können. Alsdann ist das Fahrzeug von einem englischen Fischdampfer in seinen Bestimmungshafen eingeschleppt. Die Schiffsführung trifft kein Verschulden. Das Verhalten der Mannschaft und besonders des Schiffers Bokhof während der ganzen Reise ist sehr lobend anzuerkennen.

GRÜNDE:

Die zweimastige Tjalk "KÄTE" Unterscheidungssignal N G K M ist eine eiserne Kufftjalk holländischer Bauart, sie hat ein Nettoraumgehalt von 337,2 cbm = 161.20 britischen Registertonnen, ist 1890 erbaut und gehört der Oldenburgischen Glashütte in Oldenburg. Die Besatzung beträgt 4 Mann.

Nach Angaben des Schiffers ist die "KÄTE" ungefähr 100 Fuß lang, 23 Fuß breit reichlich 6 Fuß tief. Sie hat einen flachen Boden und führte früher Seitenschwerter; da sich jedoch die Schwerter als unbrauchbar erwiesen, so hat das Fahrzeug seit langer Zeit einen Kiel erhalten. Nach den Angaben des Schiffers und des Bestmannes hat es bei starken seitlichen Winden eine Abdrift bis zu sieben Strich. Die Käte hat schon seit 9 -10 Jahren Reisen nach Granton gemacht und es ist mehrfach vorgekommen daß sie 26-30 Tage und mehr zu dieser Reise gebraucht hat. Noch im vorigen Jahre hat eine Reise vom 24 Jan.- bis zum 7. März gedauert.

Am 28 September 1899 verließ die Käte Oldenburg, wo sie Flaschen für Granton geladen hatte, darunter 80 Ballen Decksladung. Sie stand damals noch unter der Führung des Schiffers Wilms. Auf der Reise die durch widriges Wetter verzögert wurde, erhielt der Schiffer am 12. Oktober als sich das Schiff noch in der Aussenweser befand, einen Schlag mit einem Tau in die Augen, so daß er dienstunfähig wurde. Die Käte kehrte nach Bremerhafen zurück, wo der Wilms die Führung des Schiffes dem bisherigen Steuermann Bockhoff übertrug. Dieser fährt bereits 3 Jahre auf der Käte und besitzt seit den 15. Feb. 1899 ein Patent als Schiffer auf kleiner Fahrt. Da ein Steuermann nicht zu bekommen war, so wurde der 19 jährige Matrose Hensmann zum Bestmann gemacht und ein Matrose angeheuert. Am 16. Oktober verließ die Käte Bremerhafen.

Die Fahrt verlief anfangs günstig. Am 26. Okt. Morgens 6 Uhr wurde das Feuer von St. Abbs-Head in einem Abstand von 12 Seemeilen gesichtet. Westlicher allmählich zunehmender Winde wegen konnte die Käte die Firth nicht einlaufen. Bis 29. Okt. blieb sie in der Nähe von St. Abbs- Head und Insel May, dann wurde sie in Folge eines starken Sturmes weiter abgetrieben. Auf der Weiterreise wurde sie unausgesetzt von Mißgeschick verfolgt. Hervorzuheben ist Folgendes: Trotz der Bemühungen des Schiffers weiter nach Süden zu gelangen, trieb die Käte allmählich nach Norden. Am 6. Dez. kam das Feuer von Aberdeen in Sicht, Aberdeen konnte jedoch nicht erreicht werden.

In den folgenden Tagen versuchte der Schiffer in die Moray- Firth einzulaufen, wurde hieran aber durch stürmische Winde gehindert, die ihn nach NO verschlugen. Am 20 . Dez. kam die norwegische Küste in Sicht, anscheinend Hellig in Norwegen. Das Fahrzeug wurde aber wieder abgetrieben, so daß es unmöglich war, einen Nothafen zu erreichen. Späterhin wurde die Käte bis auf 62° 15´ nach Norden verschlagen.

Dann trieb sie wieder nach Süden, bis sie am 5. Jan.1900 von dem Huller Fischdampfer Agathe aufgefunden und von diesem am 8. Jan. in ihren Bestimmungshafen Granton eingeschleppt wurde. Während der ganzen Reise hatte die Käte fast unausgesetzt unter schweren Wetter zu leiden. Die Reling wurde wiederholt und stark beschädigt, die Decksladung über Bord geschlagen, die Segel zerrissen sämtlich, und bei dem erschöpften Zustande der Besatzung war schließlich an ein Ausbessern der Segel nicht mehr zu denken. Den Proviant hatte die Käte größtenteils bei der Ausreise in Oldenburg und Brake eingenommen, darunter in Brake ein Faß amerikanischen Fleisches.

In Bremerhafen war dann noch bei der letzten Abfahrt Brot und Mehl eingenommen. Am 14 Dez. mußte der Proviantverbrauch stark eingeschränkt werden, um Weihnachten war alles verbraucht. Es war nur noch eine halbe Dose Fleischextrakt vorhanden, womit sich die Leute des Morgens eine Tasse Bouillon bereiteten. Im übrigen suchten sie sich dadurch zu ernähren, daß sie Stroh klein schnitten und mit Regenwasser und mit Fett, daß von den amerikanischen Fleische übriggeblieben war, brieten. Auch das Trinkwasser war verbraucht, oder in Folge von Stürmen über Bord geschlagen oder unbrauchbar geworden.

In Folge der starken Anstrengungen und Entbehrungen war die Besatzung schließlich ganz erschöpft und entkräftet. Der Schiffer erlitt zweimal einen Schlaganfall. Auch der Bestmann erlitt einen Schlaganfall, außerdem war er in letzter Zeit durch starke rheumatische Schmerzen verhindert, irgend welche Arbeit zu verrichten und mußte das Bett hüten. Schiffer, Koch und Matrose lösten sich alle Stunde in der Wache ab.

Bezeichnend für den Zustand, der in der letzten Zeit an Bord herrschte, ist folgender Vorfall:
Kurz bevor die Käte von dem Fischdampfer aufgefunden wurde, fiel der Koch über Bord. Er hielt sich noch am Schiffe fest. Der vor Schiffer, der ihm zu Hilfe eilen wollte, stürzte erst mehrere Male vor Erschöpfung an Deck und fiel dann selber halb über Bord. Der um Hilfe angerufene Bestmann war außerstande zu gehen und das Bett zu verlassen. Nur mit großer Mühe konnten sich der Schiffer und der Koch retten. Trotz aller dieser Drangsal ist die Ordnung auf dem Schiffe aufrecht erhalten und die Mannschaft ist den Befehlen des Schiffers stets folgsam gewesen.

Nach der Ankunft in GRANTON ist die Mannschaft in das Hospital in Leith gebracht und dort verpflegt worden, bis sie sich erholt hat.

Die für die Käte aufgewandten Ausbesserungskosten sollen 300 Pfund, die Bergungskosten 450 Pfund betragen haben.

Die vorstehende Darstellung beruht auf dem vom Schiffer geführten Tagebuch und aus den Aussagen des Schiffers und des Bestmannes.
Es kann fraglich erscheinen, ob der Schiffer, als er am 26. Okt. 1899 das Feuer von St. Abbs-Head sichtete, nicht hätte versuchen können, in die Firth einzulaufen.

Das Seeamt hat aber aus der Verhandlung die Überzeugung gewonnen, daß ihm daraus, daß er dies damals versucht hat, kein Vorwurf gemacht werden kann, und daß es ihm später in der Tat unmöglich gewesen ist, einen Nothafen zu erreichen oder weiter südlich in ein häufiger befahrenes Fahrwasser zu gelangen.
Zurückzuführen ist dies auf die fast unausgesetzt widrigen Winde und Stürme, denen das Schiff bei seiner Bauart wenig Widerstand leisten konnte.
In Betreff der Verproviantierung sind keine Einwendungen zu erheben. Denn der Proviant hat nach der zweiten Abfahrt von Bremerhafen noch für 60 Tage gereicht. Und eine längere Dauer der Reise konnte auch im Hinblick auf die früher mit der Käte gemachten Erfahrungen nicht vorausgesehen werden.

Die Besatzung hat sich ausgezeichnet verhalten und es erscheint angemessen, entsprechend einen vom Reichskommissar gestellten Antrage, dies in dem Spruch des Seeamtes besonders hervorzuheben.

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mini-sail ahoi
Gerold Schnebbe

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