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Aufsatz/Bericht |
mini-sail e.V. |
Die 23-mR-Klasse - Yachten im Schatten der "Big Class"
Eine Betrachtung von Walter Ludwig
Willi Pülmanns hatte mich bei der letzten Scale-Sail am Samstagabend in Köln darauf gebracht, darüber was zu schreiben. Wir hatten uns über die frühen Rennklassen unterhalten und darüber, das die 23'er so selten geblieben sind.
Nach der Einführung der International Rule im Januar 1907 wurden die Yachten in vielfältige Meter-Klassen eingeteilt. Die größte war die 23-mR-Klasse, darüber gab es nur noch die "Big Class" als Handicapklasse für die riesigen Rennkutter wie Britannia oder Nyria und Schoner, etwa Cicely, Meteor und Germania. |
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White Heather II |
Shamrock und White Heather II im Jahr 1911 |
Bereits im Jahr 1907 baute William Fife mit dem Kutter White Heather II für den Industriellen Myles B. Kennedy eine erste 23-mR-Yacht nach der neuen Formel. Charles Nicholson entwarf im gleichen Jahr für Sir James Pender die Yacht Brynhild II. 1907 relativ erfolglos gesegelt konnte sie 1908 unter Kapitän Charles Beris immerhin 8 Siege erringen - bei 12 Siegen für Shamrock und 5 für White Heather II. 1909 bleibt die Yacht aufgelegt und bereits 1910 endete die mit einem schweren Unfall beim Stapellauf begonnene Regattakarriere. Am 23. Mai während der Orwell Corinthian Yacht Club Regatta in Harwich brach der Mast, durchschlug das Deck und Brynhild II sank innerhalb einer knappen viertel Stunde. 1911 wurde sie geborgen aber nicht wieder hergestellt. |
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Wrack der Brynhild II |
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Shamrock vor dem Stapellauf |
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Zu Beginn des Jahres 1908 überraschte William Fife die Segelwelt mit der Ankündigung, dass er für Sir Thomas Lipton eine weitere Yacht für eine America's-Cup Herausforderung bauen würde. Die Amerikaner lehnten ab, da Sir Thomas darauf bestand, dass die Yachten nach den von den Amerikanern nicht anerkannten International Rule gebaut und vermessen werden sollten. Die 23-mR Shamrock wurde trotzdem gebaut und lieferte sich bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges hinreisende Duelle mit der White Heather II. Dabei war die Shamrock offensichtlich das etwas bessere Boot und konnte viele - wenn auch knappe - Siege über ihre Schwester erringen. Leider blieb es in der 23-mR-Klasse bei diesen Yachten und so konnten sie nicht aus dem Schatten der in der britischen Öffentlichkeit so beliebten "Big Class" heraustreten. |
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White Heather II, Britannia und Shamrock im Jahr 1928 |
Cambria vor dem Stapellauf |
Nach dem Krieg diente die Shamrock als Trainingsboot für die - letztlich wieder erfolglose - America's-Cup Herausforderin Shamrock IV. Da 1919/20 bei der Überarbeitung der International Rule alle Kategorien über der 12-mR-Klasse zugunsten der großen Klassen der Universal Rule weggefallen waren, segelten White Heather II und Shamrock in der "Big Class". Erst in der zweiten Hälfte der 20'er Jahre erlebte die 23-mR-Klasse eine kurze Renaissance, drei weitere Boote dieser Klasse wurden gebaut. |
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Cambria |
Astra |
1928 lies William Fife mit der für Sir William Berry gebauten Cambria die erste große Yacht mit dem modernen Bermudarigg zu Wasser. Cambria erwies sich jedoch als nicht konkurrenzfähig. Im selben Jahr baute Charles Nicholson Astra für Sir Mortimer Singer und im Folgejahr für Hermann Andrea die Yacht Candida als 23-mR-Yachten nach der Formel der 3. International Rule. Die Yachten segelten jedoch nicht in einer eigenen Klasse sondern weiterhin in der "Big Class" mit Zeitausgleich unter anderem gegen Britannia und Lulworth. Im Jahr 1928 wurden die beiden neuen 23-mR-Yachten jedoch regelmäßig von der wesentlich älteren, gaffelgetakelten Shamrock und White Heather II besiegt. Selbst die 35 Jahre ältere Britannia konnte in dieser Saison mehr Siege erringen, als Cambria und Astra zusammen. |
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Candida |
White Heather II nach der Vermessung als J |
Die kurze ‚Wiederbelebungsphase' der 23-mR-Klasse endete bereits im Winter 1929/30 als zwischen Sir Thomas Lipton und dem New York Yacht Club vereinbart wurde, die nächste Herausforderung um den America's-Cup nach den Regularien der größten Klasse der Universale Rule auszutragen. Die J-Class wurde dadurch in Großbritannien mit einem Schlag populär. Nicht nur Astra und Candida sondern auch die königliche Yacht Britannia wurden umgebaut und als J's vermessen. Selbst die White Heather II wurde mit einem Bermudarigg versehen und als J vermessen. W.F. Stephenson segelte sie eine Saison, bevor er 1933 mit Velsheda die zweite reine J-Class-Yacht bauen ließ, 1934 folgte Endeavour und 1937 Endeavour II für T.O.M. Sopwith. So ersetzte die J-Class die "Big Class" nahtlos. |
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Astra und Candida |
Cambria, Astra, Shamrock und Britannia |
Die "Big Class" ist durch die königliche Yacht Britannia legendär und auch die J-Class hat in der Erinnerung der Segelwelt überlebt - Astra und Candida tragen neben Shamrock V, Endeavour und Velsheda noch heute das berühmte ‚J' im Segel - die 23-mR-Klasse kennt jedoch kaum noch jemand. Waren White Heather II und Shamrock die vielleicht schönsten Kutter, die die Regattaszene hervorgebracht hatte, ihre Klasse konnte im Schatten der "Big Class" gleichwohl kein eigenes Profil entwickeln. Dazu gab es zu wenige von diesen Dinosauriern der International Rule und auch die 19-mR-Klasse blieb mit 6 vor dem ersten Weltkrieg gebauten Yachten zu klein, um Akzente zu setzen. |
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P.S.:
Quellen:
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