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Aufsatz/Bericht
mini-sail e.V.icon-ms-040

son-02-08.htm; 11.1993

Der verlorene Kiel
von Peter Schuster

Sindelfingen, den 10.09.92
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An der diesjährigen minisail 92 in Radolfszell passierte mir folgendes Mißgeschick: Irgendwo und irgendwie ich hab den Hilfskiel meiner Schebekke Rebekka liegengelassen.

Am Freitag danach war Manfred bei mir und sprachen unter anderem davon daß ich das nächste Wochenende nach Pfingsten nach Rheda-Wiedenbrück zu Dieter fahren wollte. Eigentlich wollten wir unter anderem über die Konstruktion der Unterwassergenua noch Details besprechen. Dabei war zur allgemeinen Verwunderung der blöde sperrige Kiel einfach nicht greifbar. Sonst bin ich ja auch schon öfters darüber gestolpert. Sowas gibt's doch einfach nicht so ein sperriges 4 kg schweres Gestell und nirgends zu finden. Der ganze Bastelkeller, Garage, Auto und sonst noch wo wurden mehrfach durchsucht, dabei immer gründlicher und das unfaßliche wurde gewiß das Mistding Hilfskiel war einfach nicht zu finden.

Die Telefonnummer von Werner Brücker war ausfindig zu machen. Aber unser Obmann Gerd konnte helfen. Ein Anruf bei Werner ergab auch nichts, außer entsprechenden Bemerkungen. Auch der Gerd hat mir ein gewisses Mitgefühl bekundet. Nach langen Nachdenken noch im Bett wurde der Beschluß gefaßt: am Samstag morgen (Pfingsten) in aller Frühe ins Auto und Volldampf nach Radolfszell. Trotz Urlaubsverkehr keinen umweltfreundlichen Schnitt von 160 herausgefahren. Ein genervter minisegler unterwegs.

In Radolfszell lief ich dann zuerst zweimal noch ganz gefaßt um den ganzen Platz des Herzenbades herum, vor allem an den vorangegangenen Lagerplätzen habe ich dann noch mal hingeschaut. Unter den Sträuchern um den Platz herum auch nichts. Erst dann wurden alle Papierkörbe inspiziert, aber diese waren alle ordentlich geleert und somit auch ohne Kiel. Am ganzen Uferbereich und im See davor war nichts zu sehen. Übrigens: der Steg auf dem wir noch die Woche davor unsere Modelle ins Wasser gesetzt haben war etwa 10 cm überspült, und so wurde dieser barfuß durchwatet. Nichts und noch mal nichts. Und mein Gesicht wurde immer länger. Da sah ich den Abfallwagen aus Kunststoff an der Zufahrt zum Gelände als Rettung. Der Parkwächter ist bestimmt ein ordentlicher Mensch dachte ich. Aber der Mistkübel war ordentlich abgeschlossen. Mit Schraubenzieher und Taschenlampe als Einbruchwerkzeug war dem Ding nicht beizukommen. Also war ein Verzweiflungsakt notwendig. Der Kübel wurde kurzerhand umgekippt um eventuell den verloren Kiel darin poltern zu hören. Deckel nach unten und Räder nach oben und vorsichtig hin und her aber Laub und Papier klingen nicht nach 4 kg Blei mit Eisengestell dazu.

Und wie ich so vor dem kielobenen Müllwagen stehe kommt ein Passant vorbei. Ich mache also ein ganz unschuldiges Gesicht mit den Händen in den Hosentaschen, worauf dieser sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte: "Die Altstadtschlamper schmeißen doch jetzt auch noch die Müllwagen um". Und er half mir das Ding wieder richtig hinzustellen.

Danach, nach innerem Ringkampf mit mir selber, erklärte ich ihm, daß ich der Altstadtschlamper war der den Kübel umgelegt hatte um meinen Kiel zu darin zu entdecken. Zuerst hat er mich sehr reserviert und skeptisch angeschaut. Aber als ich ihm von der minisailveranstaltung die Woche davor erzählte leuchteten seine Augen auf, denn er sei selber Segler, habe sein Boot im Yachthafen nebenan, und hätte unsere Modelle bewundert. So ergab es sich, daß zwei Mann, über große und kleinere Segler diskutierend, das ganze Gelände nochmals gemeinsam absuchten um eben so ein notwendiges Ding wie den Hilfskiel zu suchen, denn ohne so etwas kippt ein Segler doch glatt um. Nichts war zu finden.

Mein Segelfreund hatte aber eine prima Idee: in Yachthafen nebenan waren mehrere große Abfallcontainer, und in einem dieser könnte ja der Kiel irgendwie gelandet sein. Kaum vor dem ersten Container angekommen, und schon war mein Helfer schon mit einem richtig sportlichen Satz drin um besser suchen zu können. Just in diesem Moment kommen zwei Clubkameraden des Wegs, sagten höflich Guten Morgen und fragten, was wohl im Container zu suchen wäre. "Ich suche hier einen Schiffskiel" kam die bestimmte Antwort. Worauf die beiden zuerst einen Moment gerade und danach sich gegenseitig anschauten, um danach die Frage höflich und langsam zu wiederholen: "was such Du da drin?". Die Antwort kam prompt klar und deutlich im vollen Brustton der Überzeugung und schon ein bißchen ungehalten: "einen Schiffskiel, was sonst!" und der Gefragte stierte richtig verbissen weiter im Abfall des Segelhafens herum, vorsichtig mit ausgebreiteten Armen von einem Bein auf das andere balancierend. Von weitem bestimmt wie ein Wanderprediger auf Abwegen anzusehen.

Den zwei Fragern war das am hellichten Morgen schon arg viel. Was die zwei wohl gedacht haben müssen: ein richtiger Schiffskiel im Container des Segelvereins und dann noch danach suchen das geht doch nicht auf das kann nicht gut gehen mit dem Kameraden. Denn Seglersprüche auf nüchternen Seemannsmagen hören sich im allgemeinen auch anders an, außerdem ist der gewählte Ort etwas ungewöhnlich. Und dann noch ich konnte ein gewisses verschmitztes Grinsen einfach nicht verkneifen; worauf die beiden mich richtig unwirsch anschauten denn einen spinneten Vereinskollegen im Container am hellichten Morgen vor einem erholsamen Seglerwochenende und einen Fremden daneben, der sich auch noch darüber amüsiert?

Nun nach gebührender Zeit klärte ich die beiden Herren vorsichtig und knitz schön umständlich und langsam auf über den Kiel meiner Rebekka, minisail und so am Wochenende davor. Allmählich kam dann doch echtes Mitgefühl auf, vor allem auch Verständnis für den unglücklichen Kameraden im Müll. Und ganz kurz darauf wurde gemeinsam so, aus richtig verstandener Seemmannschaft, die anderen Container, Mülleimer und Papierkörbe und sonstige Möglichkeiten abgesucht. Die Yachten im Hafen wurden ausgelassen. Die Bemerkungen dabei über den besonders eifrigen Mann im Container klangen auch von mal zu mal mehr erleichtert und wurden auch immer forscher oder so ähnlich.

Der Kiel meiner Schebekke Rebekka war nicht zu finden. Dafür war ein Grund und Spendierer für das zweite gemeinsame Frühstück gefunden (ich). Das Seglerlatein war von einer ganz besonderen Art gewürzt. Mein eifriger Helfer meinte: er hätte es sich einfach nicht verkneifen können, daß nicht nur er vor einem Mülleimer besonders dumm dazustehen hätte. Und so mußten eben die beiden herhalten für die Schadenfreude. Denn die ist meist die schönste Freude. Oder etwa nicht?

Übrigens: an Pfingsten und die Woche danach bis zu Dieter in Wiedenbrück wurde ein neuer Hilfskiel gebaut. Natürlich mit den schon lange längst notwendigen Änderungen und Verbesserungen.

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Dies ist der Nachbau
Übrigens: der Akku ist lageunabhängig und gasdicht, steht wenigsten drauf -
dann wird er wohl auch wasserdicht sein...
Die insgesamt vier Stromzuführungen vom Akku plus/minus und die zwei Leitungen
zur Unterwassergenua erforderten einiges an Hirnschmalz.
Ganz dicht geworden ist die ganze Geschichte endlich auch erst nach einigen Versuchen.

mini-sail ahoi
Peter Schuster

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