Modellbau
Baupraxis |
Link und Videos dazu auf Youtube:
* Spinnaker-Test im Trockenen * Spinnaker-Mechanik * Spinnaker ferngesteuert [Webseite] |
* Testfahrt auf dem Wasser * Segelnder Halbdrachen |
mini-sail e.V. |
Tourendrachen "NEPOMUK" - mit Spinnaker
Baubericht von Uli Schramm
Seit einiger Zeit tüftele ich an Spinnaker-Systemen für Modellsegelboote.
Bild 03: Ein schöner, schlanker und trotzdem geräumiger Rumpf ... |
Meine Gaffelkutter-Yacht "Mystery" segelt bereits erfolgreich mit einem Spinnaker, der diese
Bedingungen erfüllt (Siehe auch Minisail-e.V. auf dieser Webseite:
[Spinnaker ferngesteuert] oder auch: "MODELLWERFT" Januar
2006).
Allerdings ist es ein System, bei dem - wie bei Gaffelseglern üblich - der Spinnaker nicht ganz
nach vorne, über den Bug hinaus steht, sondern seitlich. Der Einzug ("Trompete") befindet sich
somit auch nicht vor dem Vorstag (wie bei hochgetakelten Segelbooten), sondern unmittelbar vor dem
Mast.
Klar, daß irgendwann der Wunsch aufkam, nun auch einen "normalen" Spinnaker zu konstruieren; also: hochgetakeltes Boot, Trompete vor dem Fock-Vorstag und der "Ballon" richtig nach vorne auswehend; die Fock/Genua müßte als Rollfock ausgebildet sein, um sie bei stehendem Spinnaker einrollen zu können.
Als Boot hatte ich zunächst einen Schärenkreuzer im Sinn: Im Verhältnis zum Rigg ein sehr langer Rumpf; das Fock-Vorstag ist nicht an der Bug-Spitze, sondern ein gutes Stück zurückgesetzt, so daß davor noch gut Platz für den Spin-Einzug ist. Allerdings sind Schärenkreuzer relativ schmal, so daß nur wenig Platz (und auch wenig Auftrieb) für die Innen-Mechanik zur Verfügung stünde. Ein Modellbaukollege brachte mich auf die Idee, einen "Drachen" zu bauen: der sieht so ähnlich aus wie ein Schärenkreuzer, ist aber wesentlich breiter. Von ihm bekam ich dann auch einen Bauplan und einen Spantensatz für einen sog. "Tourendrachen", Maßstab 1:5, 180 cm Rumpflänge, ca. 16 kg Verdrängung; ideal für meine Vorstellungen (eine Schäre hätte bei gleicher Rumpflänge nur etwa 12 kg auf die Waage gebracht).
Dank der guten Modell-Konstruktion des Drachens und der sauber gelaserten Spanten ging der Rumpf-Bau zügig und ohne Probleme vonstatten. Allerdings mußte ich, wegen der Zugänglichkeit und Wartungsmöglichkeit der einzelnen "Innereien", einige Decks-Luken mehr einplanen, als im Bauplan vorgesehen. Auch habe ich - nach dem Prinzip "Trial and Error" - immer wieder Wantenpositionen, Rollfock-Mechanik, Hebel für Endabschaltungen usw. verändern müssen, so daß der ursprünglich so schöne Mahagoni-Rumpf, besonders das Deck, inzwischen doch die ein oder andere Blessur aufweist. Mein Modellbau-Kollege möge mir darum verzeihen, daß "mein" Tourendrachen nun nicht mehr so makellos ist wie sein Bauplan.
Der Rumpf wurde mehrere Male mit Bootslack gestrichen, dann bekam der Kiel seine Füllung mit etwa 8 kg Blei - nach und nach, in Portionen von etwa je 0,5 kg. Das Boot stand während des Gießens im Wasser, so daß das flüssige Blei schnell abkühlte und keinen Schaden anrichten konnte - auch wenn es zwischenzeitlich verdächtig nach verkohltem Holz roch.
Bevor der Rumpf dann Deck, Luken und Kajüte bekam, mußte das Spinnaker-System konzipiert,
konstruiert und getestet werden.
Der Grundgedanke: ein "zweigeteilter" Spi-Baum; genauer gesagt: zwei Spi-Bäume, jeweils drehbar
gelagert, wobei die Wanten-Püttings (Backbord und Steuerbord) gleichzeitig als "Baum-Dreh-Achse"
fungieren. Soll der Spi nach Backbord ausgebaumt werden, wird er Backbord-Baum herausgeklappt, das
Bb-Schothorn des Spi's rutscht an einem Befestigungs-Ring bis zur Spi-Baumnock nach "außen".
Gleichzeitig wird der Steuerbord-Baum wird um die Wante herum nach hinten gezogen, bis er auf Deck
liegt. Das Stb-Schothorn des Spi's rutscht am Befestigungsring "nach vorne". Der Spi "steht" nun
mit folgenden Haltepunkten: Backbord-Schothorn an Spi-Baumnock ausgebaumt, Stb.-Schothorn an Deck
in Höhe der Wante/Pütting, Topp-Schothorn am Mast über dem Vorstag.
Das Steuerbord-Ausbaumen geht dann entsprechend umgekehrt. Wird der Spi geborgen, gehen beide
Spi-Bäume nach vorne und liegen - in Ruhestellung - auf dem Vorderdeck.
In den Abbildungen (5-11) zunächst Konzeption und Konstruktion ohne Deck: die provisorischen
Spi-Bäume sind übrigens Metall-Lochstangen aus einem alten Märklin-Metallbaukasten aus meiner
Jugendzeit (sehr praktisch, weil man verschiedene Abmessungen, Drehpunkte, Holepunkte usw. so
lange ausprobieren und variieren kann, bis alles richtig funktioniert ...).
Nachdem der Test im Wohnzimmer mit den provisorischen Komponenten zu meiner Zufriedenheit ausgefallen war, wurde alles an den richtigen Stellen befestigt und die Elektrik verdrahtet. Dann wurde das Deck angefertigt und mit Beschlägen, Kajüte, sowie zwei zusätzlichen "Wartungs-Luken" versehen. Die Segel allerdings sind zunächst noch provisorisch geschnitten und geklebt, noch nicht genäht. Nach der Jungfernfahrt könnten u.U. noch einige Änderungen im Zuschnitt nötig sein, um eine eventuelle zu große Luv- oder Leegierigkeit auszugleichen.
Und dann ging es an einem (jedenfalls für "Winter") warmen Tag im Januar 2014 zum ersten Mal an
den Teich, um abschließende Tests unter möglichst realistischen Bedingungen durchzuführen. Eine
echte Jungfernfahrt war es zwar noch nicht, aber was ich noch in Erfahrung bringen wollte, dazu
hat es gereicht. Das "normale" Segeln funktionierte, wie erhofft, recht gut. Das Boot spricht gut
an und nimmt - mit erstaunlich wenig Wellenbildung - recht schnell Fahrt auf. Zwar ein wenig (zu)
luvgierig, aber das läßt sich korrigieren, indem ich später das "richtige" Großsegel etwas
verkleinere. Erstaunlicherweise wird die Luvgierigkeit bei eingerollter Fock / Genua nicht größer
(eine physikalische Erklärung dafür habe ich noch nicht ...).
Ich muß gestehen, daß ich die Fläche des Ruders um ca. 50% vergrößert habe, weil ich dem Bauplan
nicht so ganz vertraute und bei gesetztem Spinnaker (der möglicherweise sehr nach Bb oder Stb
zieht) noch ein wenig Reserve in der Ruderwirkung haben wollte. Aber im Nachhinein denke ich, das
wäre gar nicht nötig gewesen. Jetzt macht das Boot immer einen kleinen "Ruck", wenn das Ruder
gelegt wird; wahrscheinlich werde ich bei Gelegenheit doch noch ein Ruder nach Bauplan-Größe
anfertigen.
Zum Schluß noch eine Anmerkung:
zum Namen für mein Boot: Baugrundlage war ja ein "Tourendrachen", der allerdings in mancher
Beziehung verändert worden ist, so daß es eigentlich kein wirklicher Drachen, sondern nur noch ein
"Halbdrachen" ist. Klar, daß das Boot darum "NEPUMUK" heißen muß. Wer von den Älteren sich
erinnert: Nepomuk war der liebenswerte Halbdrache in dem Buch von Michael Ende bzw. in der Serie
der "Augsburger Puppenkiste": "Jim Knopf und die Wilde Dreizehn"
Länge | 179 cm |
CWL | 122 cm |
Breite | 39 cm |
Tiefgang | 29 cm |
Masthöhe über Deck | 196 cm |
über CWL | 205 cm |
Verdrängung | 17 kg (etwas "Übergewicht") |
davon Ballast | ca. 8 kg |
Segelfläche (ohne Spi) | 1,08 m² |
Fock | 0,46 m² |
Groß | 0,62 m² |
Spinnaker | 0,95 m² |
übliche Maße und Gewichte für das "Vorbild": | |
Länge | 8,90 m |
Breite | 1,95 m |
Tiefgang | 1,20 m |
Verdrängung | 1700 kg |
davon Ballast | 1010 kg |
Segelfläche | 27,7 m² |
Fock | 11,7 m² |
Groß | 16,0 m² |
Spinnaker | 23,6 m² |