Modellbau
Bauberichte |
mini-sail e.V. |
3-2-1 Meins
Baubericht von Uwe Kreckel
Ich weiß nicht ob es anderen Modellbauern genau so geht, aber bei mir ist es regelmäßig so:
Das nächste Schaufahren, die nächste Messe ist im Terminkalender noch weit entfernt, die Planung
im Kopf, was bis dahin an einem neuen Modell noch alles gebaut werden soll, um nicht ein weiteres
Mal nur darüber zu reden, ist längst abgeschlossen. Wenn alles klappt wird das der Knaller, denn
so etwas ist bisher an keinem Modellteich je da gewesen … und für die Umsetzung ist ja noch
ewig viel Zeit….Der Familienurlaub, Tante Ernas Geburtstag und die von der Ehefrau zu recht
erwartete Hilfe in Haus und Garten spielen eigentlich eine untergeordnete Rolle, noch ist keine
Eile geboten, kein Grund jetzt schon in den Bastelkeller zu gehen.
Aber urplötzlich läuft die Zeit viel schneller, vor dem Urlaub sind noch alle Fahrräder instand
zu setzen und ein paar neue Kleider zu kaufen - plopp sind 2 Wochenenden weg. Der Urlaub selbst
„schluckt” anschließend 2 ganze Wochen voller Untätigkeit in Sachen Modellbau. Tante
Erna erwartet ein Geburtstagsständchen … mit Vorbereitung sind wieder 2 Samstage weg, den
eigentlichen Geburtstag noch gar nicht gerechnet. Die Anpflanzaktion im Garten muss aufgrund
akuten Unkraut-Befalls sämtlicher Beete auch an 2 Wochenenden laufen … und dann kommt noch
dies und das und urplötzlich steht der Modellbautermin kurz bevor.
Motiviert bis in die Haarspitzen verstehe ich nun auch den Spruch aus SWR3
„Philosophisches”: warum habe ich nach einem überwundenen Motivationsproblem immer
ein Terminproblem…
Dies ist nur ein mögliches Szenario, bei dem Namen und Ereignisse natürlich frei erfunden sind
und bei denen die Ähnlichkeit mit tatsächlich lebenden Personen oder Geschehnissen absoluter
Zufall sind. Aber irgendwie kommt es mir im Gespräch mit Modellbaukollegen so vor, als ob ich
nicht der einzige bin, der immer wieder hin und her gerissen ist, der einerseits „mal
wieder” mit einem neuen Modell an den See kommen möchte, dem andererseits aber die Zeit
ausgeht.
Aber wie sieht die Lösung dieses Problems aus?
Doch wieder das Modell hervorkramen mit dem man schon die letzten 5 Jahre aufgekreuzt ist?
Oder als letzten „Akt der Verzweiflung” – und jetzt kommt der Titel diese
Artikels ins Spiel - schnell noch ein Modell bei e-bay ersteigern…?
Da die hier angebotenen Modelle aber meist auch nicht mehr ganz „taufrisch” sind, ist
hier auch einiges an Restaurierungsaufwand zu erwarten – auch wenn es auf den Fotos ganz
anders ausgesehen hat…
Möchte man also in der knappen verbleibenden Zeit neben Job und Familie doch gelegentlich ein
neues Modell zu Wasser lassen, dann bleibt fast nur der Rückgriff auf einen Baukasten oder ein
Fertigmodell. Das wird dann zwar nicht der geplante „Knaller”, denn leider mangelt es
dem dann an Individualität und auch der Detaillierungsgrad lässt oft zu wünschen. Aber wenigstens
verspricht solch ein Kasten nach relativ kurzer Zeit fahrfertig zu sein.
Was also kann getan werden damit aus einer „Standard-Basis” egal ob aus einem
Baukasten, aus dem Internet oder aus einem einfachen Bauplan ein individuelles Modell wird, wie
es nicht zu oft zu finden ist? Eine andere Rumpffarbe oder ein zusätzlich auf Deck geklebter
Rettungsring reichen hier eigentlich nicht aus. Der beste Garant für Individualität ist die
Veränderung des Modells nach eigenen Vorstellungen, die man aus Büchern oder Fachzeitschriften
ziehen kann.
Und am auffälligsten bei einem Segelboot ist natürliche ein geändertes Rigg:
So kann z.B. ein brave INGA IV, die inzwischen vielleicht auf den Dachboden ausgelagert wurde, zu
neuem Leben erweckt werden. Dabei spielt es keine Rolle ob es der eigene Dachboden war –
oder ein „Dachbodenfund” aus dem Internet, das bereits weitestgehend fertige Modell
sorgt hoffentlich für eine stark verkürzte Bauzeit, wenn eigentlich nur die Besegelung neu zu
bauen ist.
Je nach Zustand des Dachbodenfundes kann sich aber durchaus ein Neubau auf Basis eines Baukastens oder Fertigrumpfes lohnen und ist unter Umständen genau so schnell fertig wie das Internet-Restaurierungsprojekt. Dieser bietet dann noch die Möglichkeit neben der Besegelung auch den Decksaufbau neu zu gestalten um so den Unterschied zur Basis noch größer werden zu lassen. Wer sich für einen Komplett-Neubau entscheidet, dem ist sicher auch klar, dass einiges an Vorüberlegungen nötig wird. Denn je nach Individualisieungsgrad muss unter Umständen der Bauablauf des Modells verändert werden, bzw. es bleibt nicht viel übrig von dem ursprünglichen Zustand des „Internet-Schnäppchens”. Auch eine intensive Beschäftigung mit der Physik hinter dem Segeln ist dringend erforderlich. Aber so eine sorgfältige Planung bietet letztendlich die Möglichkeit, das Modell vielleicht auch im Nachhinein – sprich im Lauf der Folgejahre - noch problemlos zu variieren.
Dies führt im Prinzip zu einer Art mehrstufigem Bauen:
Schritt 1, Erstellen eines Modells, das in sich abgeschlossen keine zu hohen
Modellbau-Anforderungen stellt – eben z.B. mit dem Baukasten als Basis und dem Manko am
ersten Treffen doch zunächst mal mit einem optisch „unscheinbaren” Modell
teilzunehmen.
Schritt 2 ist dann z.B. die Detaillierung und Ausschmückung, so wie es die verbleibende
Zeit bis zum nächsten geplanten Einsatz noch zulässt.
Schritt 3 nutzt bereits vorgehaltenen Randbedingungen um Modifikationen einfließen zu
lassen … beispielsweise lässt sich mit einer reduzierten Öffnung im Rumpf (die bereits bei
Schritt 1 eingebaut wurde) eine Umstellung auf einen neuen, kleineren und schmaleren Aufbau
realisieren
Wer sehr gut vorgeplant hat, kann in einem
Schritt 4 dann auch noch Veränderungen an der Besegelung vornehmen, ohne dass sich die
Segeleigenschaften verändern. Zusätzliche Masten und andere Segel sorgen für eine komplett neue
Optik.
Jetzt scheint es so als hätten wir uns schon recht weit von einem „Schnell-Bau”
entfernt, aber ich glaube mit immer noch vertretbarem Aufwand startet man auf diese Weise ein
Modellbauprojekt das einen viele Jahre begleiten kann. Entstehen z.B. im Laufe der Zeit 3
Aufbauversionen und das Schiff kann zusätzlich mit 3 verschiedenen Besegelungen ausgestattet
werden, dann sind rein rechnerisch 9 Kombinationen möglich. Das ergibt die Möglichkeit, mit wenig
Aufwand auf vielen Treffen und Schaufahren mit jeweils einem „anderen” Modell zu
glänzen.
Dies gilt natürlich in gleicher Weise für Baukästen wie für Modelle, die nach einem Bauplan
entstanden sind.
Basis für mein im Folgenden beschriebene „Verwandlungskünstlerin” ist ein
Planmodell aus der DULCIBELLA-Familie – die ISABELLA.
Ihr Rumpf wird normalerweise von acht 4mm dicken Sperrholzspanten in Form gehalten. Durch die
Beplankung des Knickspant-Rumpfes mit nur 4 Planken ist ein schneller Baufortschritt sicher
gestellt. Noch schneller geht es nur, wenn der ebenfalls erhältliche ABS-Fertigrumpf zum Einsatz
kommt.
(Mehr Info zur Modell-Familie unter www.dulcibella-modell.de.)
Das vorgestellte Modell musste aus Termingründen auf diesen Rumpf zurückgreifen… und mit nur einem Spant auskommen, der gleichzeitig die Stütze für ein Mastrohr und das Lager für die Kielflosse bildet.
Insgesamt wurden – nach Bauplan – 3 Alu-Mastrohre im Rumpf verbaut, obwohl das Modell eigentlich ein 2-Master ist. Der Bauplan sieht eine Veränderung des Modells bereits von vorneherein vor, um das relativ kleine Modell an unterschiedliche Windverhältnisse anpassen zu können. Bei zu starkem Wind wird der hintere Mast (Besan) entfernt und es muss der verbleibende Großmast in eine neue Position gebracht werden um die Segeleigenschaften beizubehalten (dazu später mehr). Diese relativ unübliche Methodes des „Reffens” erzeugt beim Umbau einen anderen Schiffstyp – und erfordert für den Mast an dieser neuen Position eine Alu-Rohr-Aufnahme. Wichtig ist, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Rumpfausbaus der entsprechende Vorhalt für eine spätere Variabilität des Modells verbaut werden muss...
Als nächstes wurde die Plicht, also die Vertiefung im Deck, in die die Modellsegler-Puppen
ihre Füße stellen, aus 1 mm-Flugzeugsperrholz gefertigt und mit 2 Decksbalken im Rumpf
positioniert. Das Sperrholz kann mit einer Schere oder einem Cutter-Messer sehr schnell
ausgeschnitten werden – sägen ist überflüssig.
Seitlich eingeklebte Decksauflagen und Verstärkungen im Bereich der späteren Verspannung der
Masten und schließlich der Einbau einer Servo-Halteplatte schließen den Rumpfinnenausbau ab und
bereits nach 2-3 Stunden Bauzeit ist es an der Zeit das Deck aufzubringen. Heftiger Einsatz von
Sekundenkleber hatte diese kurze Bauzeit ermöglicht – viel schneller geht es eigentlich
nicht mehr.
Als nächstes sollte ein neues Deckshaus entstehen. Auf der Suche nach einem geeigneten Vorbild
stieß ich auf ein Gemälde von Jane Michaelis in der Zeitschrift Classic-Boat.
Das Bild rechts zeigt 2 Boote ähnlicher Größe, die im Päckchen vor
Anker liegen. Beide Yachten haben unterschiedliche Aufbauten. Ich wollte nun nicht nur einen der
Aufbauten fix auf das Modell zu setzen, sondern zusätzlich zu der planseitig bereits
vorgehaltenen Veränderlichkeit des Models noch eine Austauschbarkeit der Aufbauten hinzuzufügen.
Es sollten Aufbauten werden wie sie der Darstellung auf dem Gemälde eingermaßen entsprechen
– wie praktisch dass einer davon schon weitestgehend aussieht, wie das Standard-Deckshaus
der DULCIBELLA oder ISABELLA .
Entwickelt wurde der neue Aufbau nach der try-and-error-Methode:
Bauen – Begutachten – An das Modell halten - Gefällt-mir-nicht – Wegwerfen
– Neu bauen – Begutachten. -
…Bereits das Ergebnis der 4. Entwicklungsschleife entsprach meinen Vorstellungen,
weitestgehend dem Vorbild und der Anforderung auch ein Mastführungsrohr abdecken zu können.
Dieser zuletzt gebaute und für gut befundene Aufbau diente als Master für die Festlegung
des Decksausschnittes denn er ist sehr schmal – grenzwertig schmal - gerade ausreichend um
an alle Innereien noch herankommen zu können. Dieser neue Aufbau ist inzwischen auch zeichnerisch
festgehalten, für den Fall, dass es noch weitere Modellbauer gibt, die eine DULCIBELLA oder
ISABELLA bauen möchten , die sich deutlich von der inzwischen doch recht weit verbreiteten Basis
unterscheidet.
Anschließend entstand der 2. Aufbau – optisch typisch DULCIBELLA. Da dieser breiter ist,
deckt er nicht nur problemlos die schmale Öffnung im Deck ab. Er muss vielmehr über Adapterstücke
korrekt auf Deck positioniert werden.
Beide Aufbauten wurden ursprünglich aus dem bereits erwähnten 1-mm-Sperrholz erstellt, sind aber
inzwischen mit dem gleichen Kirschholz furniert.
Mit dem korrekten Ausschnitt versehen, konnte das Deck auf den Rumpf geklebt werden.
Nächster Schritt: die Decksbeplankung. Auch hier sollte es möglichst schnell gehen Deshalb
wurde die Beplankung nicht mit einzelnen Holzleisten ausgeführt, sondern mit einem 0,5
mm-Tuschstift aufgezeichnet. Ein gleichmäßig geführter Stift sorgt auch bei dem unlackierten Holz
für verlaufsfreie Kalfaterlinien – fast immer. Falsch eingezeichnete Linien machen aber den
Einsatz eines Skalpell-Radierers (wegkratzen der obersten Holzschicht) erforderlich…oder
ein Rettungsring bzw ein Taubündel müssen „zufällig” auf Deck auf der Fehlerstelle
platziert werden. Aber ISABELLA’s Deck hat keine gravierenden Fehlerstellen und das obwohl
mich das Aufzeichen zwischendurch ganz schön zum Schwitzen brachte. Der Verlauf der Planken ist
nämlich weder parallel zur Schiffsmitte, noch zu der Bordkante – es ist eine Mischung aus
beidem mit gekrümmten Planken, die sich vorn und hinten verjüngen (siehe FOTO). Solch einen
Verlauf mit einzeln verlegten Planken „richtig” aufzubringen erfordert einiges an
Anpassungsarbeit. Das Aufzeichnen dagegen lässt trotz mehrfach erforderlichem Umetzen des
Kurvenlineals beim Zeichnen immer noch recht schnell ein so „beplanktes” Holz-Deck
entstehen.
Die Abdichtung zwischen Modell und Zugangsöffnung zum Innenraum ist bei den Modellen der
DULCIBELLA-Familie normalerweise an der höchstmöglichen Stelle – lediglich die Dächer der
Aufbauten sind abnehmbar gestaltet, die Aufbauten selbst dagegen werden fest mit dem Deck
verklebt. Nun soll aber ein abnehmbarer Wechselaufbau umgesetzt werden. Damit muss das Deck ganz
klassisch einen Süllrand, sprich einen erhöhten umlaufenden Rand, unter dem komplett abnehmbaren
Aufbau erhalten. Dieser soll verhindern, dass über Deck spülendes Wasser durch Spalte zwischen
Deck und Aufbau direkt in den Innenraum läuft. Da ISABELLA oft mit ordentlicher
„Schräglage” unterwegs sein wird, lässt die nach unten verlegte Zugangsöffnung nun
befürchten, dass bereits bei geringerer Krängung die Gefahr von Wasser im Modell entsteht.
Praktisch ist aber durch die reduzierte Breite dieser Zugangsöffnung sogar eine stärkere Neigung
des Modells erforderlich, bevor hier wirklich Wasser eindringen könnte. Allerdings ist dies
erkauft durch eine Breite die fast schon chirurgische Instrumente benötigt, um Reparaturarbeiten
im Modellinneren auszuführen… Abgesehen von dieser vorbereitenden Veränderung des
Grundaufbaus entstand im Anschluss die ganze ISABELLA so wie es der Bauplan vorsieht.
Die Jungfernfahrt auf einem See bei Freiburg absolvierte sie dann mit dem schmalen neu
gestalteten Aufbau, der weitestgehend die gewünschte Optik aufweist. Aber bereits 2 Wochen später
tauchte das Modell auf einem Jungfernfahrt-Treffen einer Jugendgruppe mit ihrem
„klassischen” Dulcibella-Aufbau auf, um sich hier nahtlos einzufügen.
Am großen Vorbild wird das Stagsegel nur für sehr lange Strecken (Schläge) zwischen den
Masten gesetzt und erfordert bei jeder Wende oder Halse den Einsatz der Mannschaft um es auf dem
neuen Bug neu zu setzen. Da dieses Umsetzen am Modell nicht erfolgen konnte, behindert das Segel
massiv die Wirkung des Großsegels. Deshalb war das Begleitboot nicht nur für die optimale
Fotoposition erforderlich, sondern auch um immer in Modellnähe zu sein um auf die
Manövrierbehinderung mit „Handeingriff” reagieren zu können. Erstaunlicherweise war
das Segeln auch ohne großen Eingriff möglich… wenn auch die seltsam verdrehte Segelstellung
kein schönes Bild ergibt – das Modell konnte wieder zurückgesegelt werden.
Und das Ergebnis: ohne großen Zusatzaufwand war auf diese Weise das Modell erneut mit neuem
Outfit unterwegs – Variante 5 war geboren.
Im Folgejahr wollte ich ISABELLA erneut in neuem Design präsentieren. Mit Hilfe einer weiteren Mastposition sollte eine Spreizgaffelketsch entstehen. Diese vielen Modellbauern aus dem Atlantis-Baukasten bekannte Takelage kommt an Originalen zwar relativ selten zum Einsatz, bietet aber für Modellbauer mehrere Vorteile:
Zeichnerisch (am Computer) entstand ein Entwurf und schnell war klar: Die zusätzlich erforderliche Mastposition liegt direkt im Aufbau, exakt unter dem Schiebeluk. Zeichnerisch habe ich den Niedergang einfach nach vorne „verlegt”. Das geht auf dem Papier, aber einen Mast direkt vor der Tür zu platzieren hieße den Zugang zum Bootsinneren zu versperren. Es sei denn, der Niedergang ist neben dem Mast, wie man es auch an vielen Originalen sieht. Also musste ein 3. Aufbau gebaut werden, der mit einem zur Seite versetzten Schiebeluk auch noch die neue Mastpositionierung ermöglicht. Den Aufbau wollte ich ohne Verlängerung der Seitenwände zum Schutz des Steuermannes / der Besatzung vor überkommendem Wasser ausführen. Damit eine Figur im Cockpit originalgetreu trotzdem eine trockene Hose behält, soll sie nun auf einem leicht erhaben Lattenrost sitzen, der vom Wasser unterspült werden kann.
Der Aufbau sollte möglichst niedrig und damit elegant bleiben. Durch das seitlich versetzte Schiebeluk wurde aber doch eine Mindesthöhe erforderlich, da sonst die Türen zu winzig erscheinen würden. Am fertig gebauten Modell zeigt sich diese Konstellation optisch dann aber als ziemlich ”kopflastig” – das gesamte Achterdeck wirkte zu leer.
Um Bauteile für das Achterdeck zu erstellen habe ich schließlich 4 Sitzlehnen gebaut, wie ich
sie auf einigen Originalfotos entdeckt hatte. Da die Lehnen steckbar ausgeführt sind, ergibt sich
durch sie einerseits eine weitere Variabilität, denn es kann je nach Belieben weiterhin ohne,
oder mit 1-4 Lehnen gesegelt werden. Vor allen Dingen aber sorgen sie im montierten Zustand
wieder für die von mir gesuchte optische Ausgewogenheit.
Die Unterschiede zu den anderen Aufbauversionen des Modells kann man am besten auf den direkten Vergleichsfotos sehen. Am markantesten ist aber sicher der im Aufbau stehende Mast und dadurch bedingt das zur Seite versetzte Schiebeluk.
Wie bereits erwähnt, bietet das Spreizgaffelrigg den Vorteil, dass alle 4 Segel gemeinsam über das bereits vorhandene Segelverstellservo angesteuert werden können. Da somit auch eine entsprechende Segel-Fläche gehalten werden soll, war ein stärkeres Servo mit etwa 75 Ncm von vornherein eingebaut, an dessen langem Hebelarm ich 2 zusätzliche Schoten eingehängt habe. Diese treten aus dem Dach des neuen Aufbaus aus. Eine Schot findet dort direkt das anzusteuernde Segel, die 2. muss am Mast entlang nach oben geführt werden bis zur Spreizgaffel.
Das neue Rigg kann an meinem Modell nur in Verbindung mit dem neuen Aufbau eingesetzt
werden. Das müsste aber nicht so sein, denn insbesondere der Dulcibella-Aufbau hätte ebenfalls
die Möglichkeit des asymmetrischen Niedergangs geboten – wenn ich denn schon früher an die
vollständigen Auswirkungen dieser Segelvariante gedacht hätte. Da aber die Spreizgaffelketsch mit
und ohne Stagsegel zwischen den Masten gefahren werden kann (Vollzeug oder reduziertes Rigg)
kommen über die Besegelung rein rechnerisch trotzdem 2 Varianten hinzu.
Zusätzlich kann der neue Aufbau auch in Verbindung mit den „alten” Riggs (als Yawl
mit oder ohne Zusatzsegel bzw. als Slup getakelt) eingesetzt werden, was theoretisch 3 weitere
Varianten bringt.
In Summe steht also jetzt der Zähler bei 10 Varianten.
Und damit ist immer noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht: Ein Schoner-Rigg, bei dem der
hinten stehende Mast höher ist als der vordere steht ebenfalls noch auf der Liste der
Möglichkeiten. Zeichnerisch bereits fertig sind die Mastpositionen so gewählt, dass kein neues
Führungsrohr und kein veränderter Aufbau mehr erforderlich wird –aber ein zusätzliches
Servo für die Ansteuerung der überlappenden Segel. Der Schoner macht dann irgendwann vielleicht
das Varianten-Dutzend vollständig, denn er kann mit oder ohne Fisherman-Segel (oben zwischen den
Masten) segeln.
Wenn Sie als Leser nun der Meinung sind, ein für stärkeren Wind nicht gesetztes Segel erzeugt noch keine Rigg-Variante – dann haben Sie sogar Recht. Trotzdem kommt bei 3 verschiedenen Aufbauten und 4 unterschiedlichen Riggs (incl. Dem noch nicht gebauten Schonerrigg) rein rechnerisch eine Variantenzahl von 12 heraus, von denen ich tatsächlich aber nur 8 segeln kann oder werde. Aber letztlich ist die absolute Größe der Zahl gar nicht wichtig – es geht lediglich darum zu zeigen wie variabel ein Segelschiff sein kann. Mein Ziel jedenfalls ist erreicht, unabhängig von der tatsächlichen Anzahl. Ich konnte und kann sehr viele Veranstaltungen mit ein und demselben Modell besuchen und habe trotzdem immer wieder ein anderes Schiff dabei. Der zu betreibende Aufwand dafür hielt sich im Rahmen, die einfachen neuen Besegelungen oder Aufbauten waren in kurzer Zeit „zwischen Urlaub und Tante Ernas Geburtstag” zu bauen… - obwohl auch hier 1-2 „Nachtschichten” eingelegt werden mussten, um den selbst gesteckten Termin (die Ketsch-Version der ISABELLA sollte am Hoch-See-Segeln 2009 teilnehmen) einzuhalten. Die ersten Probleschläge fanden dann trotzdem noch mit provisorischer Segelansteuerung ohne die oben erwähnten Sitzlehnen, ohne Steuermann und sogar ohne Ruderpinne statt.
Vielleicht fragen Sie sich nun: wie kann es sein, dass ein Segelboot so variabel ist? Dass man die Aufbauten verändern kann, ist vielleicht noch einleuchtend, aber die Besegelung modifizieren. Das sorgt doch fast schon zwangsweise für veränderte Segeleigenschaften, denn sie Segelfläche muss doch auf den Rumpf abgestimmt sein? Ist das eventuell eine absolute Spezialität dieses Modells – der ISABELLA??
Nein, das ist es nicht.
Damit ein Segelboot ausgewogen segelt, also weder ständig in den Wind dreht noch permanent davon
weg, muss lediglich folgendes beachtet werden.
Der Flächenschwerpunkt (der Segeldruckpunkt) der unterschiedlichen Besegelungen muss
unabhängig von Form und Anzahl einzelner Segel in Summe immer wieder an der selben Stelle liegen.
Gemeint ist hier die Längsposition des Druckpunktes Abweichungen nach oben oder unten sorgen zwar
für mehr oder weniger Krängung, beeinflussen aber nicht diese Grundauslegung zum
„Geradeauslauf”. Gleiches gilt für die absolute Größe der Segelfläche: Dass mehr
Segelfläche für mehr Krängung sorgt ist sicher nachvollziehbar. Somit eignen sich die Versionen
mit mehr Gesamt-Segelfläche eben hauptsächlich für die Tage mit weniger Wind.
Weicht man von mit der Position des Druckpunktes ab, so ergibt sich bei einer Verlagerung nach
vorn ein leegieriges Modell, das immer wieder vom Wind weg dreht, eine Position zu weit achtern
dagegen sorgt für eine luvgierige Einstellung, die das Modell bei neutral stehendem Ruder
trotzdem immer wieder in den Wind drehen lässt.
Um auch bei modifizierten Segeln noch ein neutral segelndes Modell zu erhalten muss nun also zunächst in einem Schritt 1 der Segeldruckpunkt des „Basismodells” ermittelt werden. In Schritt 2 kann man dann alternative Riggs entwerfen, die sinnvollerweise angelehnt sind an Darstellungen von Vorbildern aus Büchern oder Fachzeitschriften. Diese Entwürfe werden dann über dem Rumpf so angeordnet, dass die Position des Flächenschwerpunktes erhalten bleibt.
Aber wie in aller Welt bestimmt man diesen gemeinsamen Flächenschwerpunkt aller Segel? Nun
soll hier niemand mit langwierigen Formeln und Berechnungsmöglichkeiten belastet werden, man kann
diesen Punkt auch sehr einfach mit Hilfe einer Papp-Schablone ermitteln.
Auf diese Weise ist der Segeldruckpunkt des Modells in seiner ursprünglich vorgegebenen Form
ermittelt. Jetzt kann man die Prozedur mit einer veränderten, neuen Besegelung wiederholen:
Skizze auf Pappe übertragen, am Stück ausschneiden…usw. – bis auch der Druckpunkt der
neuen Besegelung auf der Pappschablone ermittelt ist.
Legt man nun den Segeldruckpunkt der neuen Besegelung in Schiffslängsrichtung genau in die
gleiche Position wie er bei der ursprünglichen Variante lag, so wird das Boot seine
Segeleigenschaften weiterhin beibehalten.
Wenn dann noch durch die Variation einzelner Segelgrößen ein Zustand erreichbar ist, bei dem
einzelne Mastposition beibehalten werden können, dann sind dies optimale Voraussetzungen für ein
Wechselrigg.
Im nächsten Schritt gilt es die durch die Pappschablonen ermittelten Segelformen auf
Segelstoff zu übertragen.
Um dann während der Jungfernfahrt noch erforderliche, leichte Korrekturen vornehmen zu können
sollte als Zwischenschritt der „Stoff” für den ersten Segelsatz aus Papier bestehen.
Im Lackiererbedarf gibt es Overalls, die aus einem Faserverstärkten Papier gefertigt sind, das
für diese Zwecke ideal ist.
Für leichten bis mittleren Wind kann das Boot mit Segeln aus diesem Overall-Papier ausgerüstet
werden. Die einfache und schnelle Korrektur der Segelfläche am See erfolgt durch eine
Haushaltsschere. Wenn die Kursstabilität den eigenen Ansprüchen genügt, kann die Übertragung auf
den gewünschten endgültigen Segelstoff erfolgen. Wenn durch Bautoleranzen am Ende auch mit den
endgültigen Segeln noch eine leichte Korrektur erforderlich sein sollte, dann ist es ideal, wenn
eines der Segel geringfügig in seiner Längsposition verschoben werden kann, um den
Segeldruckpunkt final zu korrigieren. Die sich ergebenden größeren oder reduzierten Abstände zu
den Masten fallen kaum störend auf…
So kann auf einem beliebigen Rumpf nahezu jede Segelvariante dargestellt werden.
Nun haben wir sehr viel über das Halten des Segeldruckpunktes an der gleichen Position gehört.
Was aber tun, wenn die Basis für das neue Modell ein fertiger Rumpf z.B. ein E-bay-Dachbodenfund
ist, bei dem aber keine Segel mehr vorhanden sind? Dann muss man für eine Positionierung einer
Besegelung zusätzlich das „Gegenstück” zum Segeldruckpunkt kennen. Gemeint ist der
Flächenschwerpunkt des Unterwasserschiffes, der Lateraldruckpunkt des Rumpfes im Wasser.
Betrachtet man ein Segelschiff in seiner Seitenansicht, dann sollte der Flächenschwerpunkt der
Segelfläche für Modellsegelboote immer ca. 10% der Schiffsbreite vor dem Lateraldruckpunkt
liegen.
Ist kein Bauplan, sondern lediglich ein fertiger Rumpf vorhanden, dann kann für die
Position des Lateraldruckpunktes z.B. mithilfe der Schatten-Methode ermittelt werden.
Den Rumpf mit möglichst vielen Lichtquellen von einer Seite gleichmäßig anstrahlen. Den Schatten
auf einer dicht hinter dem Rumpf liegenden Wand abzeichnen. Unterwasserbereich abtrennen und dann
weiter verfahren wie oben beschreiben.
Alternativ kann man den Rumpf auch einfach auf die Seite legen und seine Kontur mit einem Stift
nachzeichnen. Dabei ist zu beachten, dass durch geeignete Unterlagen der Rumpf sauber
ausgerichtet liegt.
Welche Methode das genauere Ergebnis liefert entscheidet der Zeichner…
Wenn der Rumpf schon schwimmfähig ist, kann noch eine weitere Methode zur Ermittlung des
Lateraldruckpunktes herangezogen werden:
Den korrekt auf Wasserlinie getrimmten Rumpf ins Wasser setzen.
Mit einem möglichst spitzen Gegenstand (z.B. Bleistift) seitlich gegen die Bordwand drücken. Wenn
der ausweichende Rumpf weder vorn noch hinten wegdreht, sondern exakt seitlich verschoben wird,
dann sitzt der Bleistift genau oberhalb des Druckpunktes.
So erhält man zwar keine Information über die Lage in der Tiefe, das ist aber für die
Positionierung der Segel auch nicht erforderlich.
Die hier beschriebenen Zusammenhänge sind auch Bestandteil des Buches „Faszination
RC-Segeln – einfach einsteigen” und das enthält sicher noch weitere interessante
Anregungen und Tipps rund um die Modellsegelei.
Mit diesen Auslegungshinweisen im Hinterkopf sollte es nun jedem möglich sein, sein zukünftiges
Modell so zu entwerfen, dass es nicht mehr erforderlich ist, sich für eine Beseglung zu
entscheiden, die das Modell dann „für immer” trägt. Sondern wie am Beispiel der
ISABELLA gezeigt, kann das Modell auch sehr variabel sein.
Ist die Basis einmal geschaffen, kann man, wie oben beschrieben, viele Modellbautreffen mit einem
immer wieder neuen Modell besuchen – das eigentlich doch jedes mal wieder das selbe ist.
Damit schließt sich der Kreis zum Anfang dieses Artikels und das Ende von Familienurlauben oder
Verwandten-Geburtstagen muss nicht mehr so sehr herbeigesehnt werden...
Und die Modul-Modellbauweise sorgt auch noch an anderer Stelle für Entlastung:
Meine Frau merkt immer schon sehr früh, wenn ich mit einem neuen Projekt „schwanger
gehe”. Ich kann nicht mehr ruhig vor dem Fernseher einen Film genießen, sondern
durchstöbere ständig alte Zeitschriften oder Bücher. Manchmal erinnert sie mich dann dezent
daran, dass im Bastelkeller schon viele Modelle viel Platz versperren… Wenn aber das neue
Modell sich auf ein paar wenige Differenzbauteile zu einem bereits vorhandenen reduzieren lässt,
dann ist es sicher auch viel einfacher sie von der Notwendigkeit des neuen Projektes zu
überzeugen.
Und obendrein erspart es einem selbst den oft als lästig empfundenen Part des Rumpfbaues, denn
man kann sich ja voll auf die restlichen Teile konzentrieren.
Und trotzdem muss man nicht auf die gewünschte Abwechslung beim Segeln verzichten.
Und was ist mein persönliches Fazit nach dem Bau eines Modells mit so vielen Varianten?
Mit meiner ISABELLA wollte ich es einfach wissen: wie weit kann man diese Wandlungsfähigkeit
treiben und wie gut kann man sie kaschieren. So hat mir hat nicht nur die Entwicklung – das
Ausdenken neuer Varianten besonders viel Spaß bereitet, sondern auch die Herausforderung, das
Modell mit allen Details so zu gestalten, dass keiner Version allzu deutlich anzusehen ist, dass
sie verändert werden kann. Als Beispiel seien hier nur die folgenden Dinge erwähnt:
Am Ende hat sich gezeigt, dass sich trotz der ganzen Variabilität Lieblingsvarianten herauskristallisieren, die dann fast eine ganze Segelsaison hindurch gefahren werden- und eigentlich wurde auf keinem Treffen die mögliche Bandbreite der Veränderbarkeit ausgeschöpft – ich habe das Modell maximal 1 mal pro Schaufahren umgebaut.
Trotzdem ist ISABELLA auf ihre Weise einzigartig durch ihre ständige „Neuerscheinung” und sorgt so immer wieder für manchen staunenden Blick der Modellbau-Kollegen. Dabei rückt dann die einfache „Allerwelts-Basis” des Modells in den Hintergrund – die Veränderbarkeit sorgt für Gesprächsstoff und man kann bei so Manchem förmlich sehen, wie sich die Gedanken in Bewegung setzen, was er an seinem eigenen Modell alles „variabilisieren” könnte.
Ich hatte für die ISABELLA einen hohen Wiedererkennungsgrad beabsichtigt, Deshalb hat sie nicht nur eine markante Rumpffarbe, sondern die Aufbauten sind auch immer wieder mit identischem Furnier überzogen und die Segel immer wieder in den gleichen Farben gehalten.
Kombiniert man einen neutral weißen Rumpf mit Segeln unterschiedlichster Farben und zusätzlich mit Aufbauten die sich durch verschiedene Furniere oder Lackierungen maximal unterscheiden, lässt das sicher noch mehr den Eindruck verschiedener Modelle entstehen. Und ich kann nur empfehlen für solch ein Projekt einen etwas größeren Rumpf (ca. 1 M) als Basis zu nehmen, was die Zugänglichkeit und Umsetzung der nötigen Lösungen für Umbaumaßnahmen einfacher macht und gleichzeitig die Anzahl möglicher Vorbilder erhöht.
Auf jeden Fall bin ich ganz sicher, dass die ISABELLA nicht mein letztes Multi-Optik Modell war. Fragen zum Modell oder zu so mancher Sonderlösung die hier nicht ausführlich genug vorgestellt werden konnte beantworte ich gerne unter der unten aufgeführten Emailadresse.