mb-08-03.png Modellbau
Baupraxis
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mb-08-03.htm; 05.2008
erschienen in MODELLWERFT 11/2007
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Ein Stück vom unteren Teil des Buchsbaums.
Man kann sehen, wie die Fäulnis den Stamm ausgehöhlt hat;
der Durchmesser des Stammes beträgt 40 cm

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Ein mächtiger Buchsbaum
und seine Geschichte bis heute

erzählt von Ivan Trtanj


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../../button4.gif Vorwort -.-   

Es stand einmal ein mächtiger Buchsbaum, alt und stolz. Er stand ziemlich lange, so 400 bis 450 Jahre lang, bis er eines schönen Tages einfach umfiel. (Bei meinen Führungen durchs Museum im Schlössle in Kressbronn erzähle ich die Geschichte von dem kleinen mächtigen Baum, der eines Tages Selbstmord beging.)
Nicht zu glauben: Die Baumkrone war vollkommen in Ordnung, aber unten am Boden war der Baum aufgrund seines Alters und der Witterungseinflüsse abgefault.
Dann kam eines Tages eine leichte Windböe und warf ihn um. Und so gelangte ich zu dem Holz des alten, mächtigen Buchsbaums, obwohl viele andere Handwerker seit langem darauf spekuliert hatten, wie zum Beispiel die Zimmerer, die Schreiner, die Flaschner, die Wagenbauer und die Drechsler.

Buchsbaum ist das härteste Holz, das in Mitteleuropa vorkommt. Aber der Buchs ist bei uns nicht ursprünglich beheimatet, die Römer haben ihn hergebracht.
Vielleicht weiß einer der Leser, welcher hier beheimatete Baum das härteste Holz hat. Das wäre eine hübsche Quizfrage. Viele Menschen haben schon von BuchsbaumHolz gehört, wissen aber nicht, wie es aussieht.
Meistens wächst der Buchsbaum in älteren Parks, auf Friedhöfen oder in Gestalt gezüchteter Hecken. Der Baum ist immer grün, im Sommer wie auch im Winter.
Aber was wurde nun aus dem Holz des alten, umgefallenen Buchsbaums?

Ein Stück des klein geschnittenen Holzes, wie ich es gebrauchen und verwenden kann
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Die Originalunterschrift des Schiffsarchitekten von 1767

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../../button4.gif Holz für Schnitzwerk -.-   

Ich verwende das Holz ausschließlich für feine Miniaturschnitzereien - dem eigentlichen Thema in diesem Bericht. Es reicht freilich nicht aus, ein gutes Stück Holz und ausgezeichnetes scharfes Werkzeug zu besitzen, um etwas Vernünftiges darzustellen, auch wenn es nur ein winziges, dekorativ geschnitztes Teil auf einem Schiffsmodell ist. Man benötigt auch ein ausgesprochen gutes dreidimensionales Vorstellungsvermögen, denn alles, was aus dem Holz entstehen soll, ist zunächst nur in Gedanken da. Für mich ist es sehr schwer, etwas mit Worten zu erklären, was man eigentlich mit den Händen macht, aber vielleicht werde ich irgendwann Kurse für Menschen veranstalten, die wirklich Interesse an diesem Thema haben: "Schnitzen für Schiffsmodellbauer".

Das Merkmal des Schiffs, das ich als Modell nachbaue, sind die ausgeformten Außenschwerter. Es ist nicht die übliche Form wie bei den anderen Schiffen mit Seitenschwertern. Das historische Vorbild ist mit Sicherheit so gebaut und so verziert worden, wie der Schiffsarchitekt es 1767 gezeichnet hat. Die Kopie der Originalunterschrift bestätigt das, und es ist auch geschichtlich nachgewiesen, daß das Schiff für Besteller so ausgeliefert wurde. Die Geschichte des Schiffs und weitere Fotos sind im Museumskatalog abgebildet (Bezugsquellen siehe unten).


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../../button4.gif Die Komposition -.-   

Ich möchte Ihnen, liebe Leser, einen kleinen Teil der Schnitzerei jetzt vorstellen, und zwar die atemberaubende Komposition der drei Figuren auf der Heckpartie.

Das Schiffsmodell, vor allem aber die Kunstwerke, sind im Stil des Admiralitätsmodells gebaut. Die geschnitzte Partie befindet sich am Heck sowie auf der Backbord- und der Steuerbordseite. Sie ist vollkommen gleich, nur spiegelbildlich gestaltet. Es wäre auch möglich gewesen, einen Abdruck von der ersten fertigen Figur und danach aus irgendeiner Masse eine Form zum Gießen herzustellen, auch dann kommt letztlich das gleiche Teil heraus, aber das ist nicht das Ergebnis wahren Handwerks, sondern in meinen Augen irgendeine bemalte Gips- oder Playmobilfigur. So etwas kommt für mich und beim Großteil anderer Modellbauer - im historischen Schiffsmodellbau überhaupt nicht in Frage. Ich möchte bei meinen Arbeiten echte Kunst präsentieren und den Geschmack und die Eleganz der damaligen Schiffsbau-Epoche zum Ausdruck bringen.

Das gesamte Ornament besteht aus verschiedenen Teilen; der Löwenkopf wie auch das Gesicht ist eine vollplastische Darstellung. Der Körper des Löwen ist mit einer prächtigen Mähne bedeckt. Die beiden vorderen Pranken sind ebenfalls sichtbar, wiederum in vollplastischer Nachbildung. Nach unten hin, bis zur Maske, wird der Körper zu einer halbplastischen Darstellung (erhabenes Relief). Der Pfeilbogen und der Pfeilköcher sind ein flaches Relief. Die komplette Reliefdarstellung ruht auf einer Heckkonsole.

Die vollplastisch gestaltete Heckkonsole, auf der auch die anderen beiden Teile ruhen (der Löwe und obenauf der Konsole eine jugendliche Figur), ist mit drei Ornamenten versehen. Zum einen handelt es sich um Rokalien und Akandusblätter, die mit Perlen geschmückt und unten noch mit schönen Blumen versehen sind. Back- und steuerbords sind verschiedenartige Blumen abgebildet. Diese Konsole habe ich zuerst geschnitzt, weil sie - wie schon erwähnt der Träger für den Löwen und den Jüngling ist. Es war für mich auch eine Orientierung, weil ich den Löwen samt der Ledermaske, mit Bogen und Pfeilköcher, der Konsole angepaßt habe. Der dritte Teil ist der Jüngling: eine vollplastische Darstellung, ringsherum geschnitzt. Über der Schulter trägt er einen Teil des Vorhangs, der sich über den gesamten Achtersalon zieht.


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../../button4.gif Die Zeichnungen -.-   

Die geschnitzten Teile sind zunächst nur eine flache Zeichnung auf Papier, die Umsetzung in die Wirklichkeit ist dann schon etwas anderes. Aufgrund des "Einfalls" der Bordwände und des "Ausfalls" vom Spiegel weg in dreidimensionaler Darstellung ändert sich die Form der Ornamente. Ich mußte eine geeignete Papierschablone anfertigen und soweit verändern, daß die fertigen Teile auf ihren Aufstellort paßten. Alles, was der Schiffsarchitekt entworfen hat, wie die Haltung und die Bewegung der Ornamente, mußte von mir beachtet werden. Um diese Papierschablone herzustellen, übertrug ich die Ornamente vom Originalplan auf Millimeterpapier, zeichnete sie dann auf Karton, schnitt sie aus und paßte sie an die Bordwand an. Diese Prozedur wiederholte ich so lange, bis ich endgültig zufrieden war. Eigentlich ist das der größte Spaß an der Arbeit. Bis dahin ist das Ornament nur eine flache Fläche, bei der die dritte Dimension noch berücksichtigt werden muß.

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Papierschablonen und auf Millimeterpapier übertragene Ornamente - hier der Löwe
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Papierschablonen und auf Millimeterpapier übertragene Ornamente - hier der athletische Mann

Von der letztlich angefertigten und zu 100% angepaßten Kartonschablone wird nochmals auf Millimeterpapier eine Kopie hergestellt. Diese letzte Kopie wird nun auf ein Stück Buchsbaum übertragen. Ich versuche dabei, das Holzstück maximal auszunutzen (obwohl ich so viel Buchsbaum besitze, muß ich sparsam damit umgehen). Noch etwas: Die Schablone ist etwas größer hergestellt, was hinterher ein großer Vorteil ist, denn der Nachteil beim Schnitzen ist ja, daß, was einmal weg ist, sich nicht wieder herstellen läßt.


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../../button4.gif Vorüberlegungen -.-   

Man sollte sich schon vor dem eigentlichen Schnitzen genau überlegen, was man darstellen will. Das Gesicht und der Kopf des Löwen sind, wie gesagt, eine vollplastische Darstellung, und so entschied ich mich dafür, sie mit geöffnetem Maul und grantigem Gesicht darzustellen. Dann kommt die erste Reihe seiner Mähne, sie zieht sich nach unten und verdeckt den gesamten Körper. Das weitere Sichtbare sind die Tatzen. Mit der linken Pranke hält sich der Löwe an der Konsole fest, die rechte Pranke hält die Ledermaske. Die Ledermaske ist umrahmt von Rokalien und Akandusblättern, sie fallen nach unten, wo zwei Behältnisse sind: das erste eine runde Flasche (womöglich eine Giftflasche für die Pfeile), das zweite der Pfeilköcher mit Bogen und Pfeilen. Ganz unten befinden sich Kieselsteine (die alte Zeichnung war an dieser Stelle schwer zu deuten).

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Die Löwenfigur ist auf das Stück Buchsbaum übertragen;
jetzt werden die Umrisse ziemlich
genau mit der Bandsäge ausgeschnitten
Für die mythologische Figur
müssen zwei massive Klötze herhalten
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Die Figur ist auf die beiden Holzklötze aufgezeichnet,
jetzt wird sie an den Umrissen ausgeschnitten
und der Rohling daraus erstellt
Der Rohling für die Steuerbordseite
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Steuerbord- und Backbordfigur sind fertig ausgeschnitten Der Torso des Jünglings;
das Gesicht ist ca. 9 mm hoch

Das alles sollte man sich vor der Arbeit bildlich vorstellen können, damit es auch anschließend gelingt. Trotz so viel Buchsbaum muß die Arbeit auf Anhieb gelingen. Wenn es nicht so wäre, würde der 450 Jahre alte Baum nicht ausreichen, und ich wäre immer noch beim ersten Modell.

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Die beiden spiegelbildlich geschnitzten Jünglinge
fassen sich nur auf dem Foto an den Händen
Auch diese beiden Figuren
haben Zwillingscharakter
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Die fertig geschnitzte Löwenpartie

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../../button4.gif die dritte Figur -.-   

Die dritte Figur stellt einen jungen Mann nach einem Vorbild aus der griechischen Mythologie dar. Der junge Mann ist gut ernährt und athletisch gebaut. Die Figur ist aus dem gleichen Baum geschnitzt. Es entstehen zunächst zwei vorgefertigte klobige Klötze, genau ausgewogen, um möglichst wenig Holzverlust zu erleiden. Wieder wird von mir alles aus dem vorgegebenen Plan umgezeichnet.

Die vollplastische Figur wird nach dem gleichen Verfahren wie die anderen beiden Figuren hergestellt, nur ist da noch auf gewisse Details zu achten: Der Rohling wird "flach" auf ein massives Stück Holz gezeichnet; das Stück Holz ist so konzipiert, daß der menschliche Körper in Haltung und Gebärde komplett dargestellt werden kann. Der rechte Arm und die Kopfhaltung sind etwas geneigt, der Torso ist leicht nach links gedreht. Auf der Steuerbordseite ist der linke Arm abgewinkelt, auf der Backbordseite der rechte. Die Figuren sind also spiegelbildlich gemacht. Der linke Arm versucht den Löwen zu zähmen, über der linken Schulter hängt die Fortsetzung des Vorhangs, der sich über den gesamten Achtersalon zieht.

Alle Zeichnungen, Kopien und Kartonschablonen sind sichtbare Elemente, die ich Ihnen, liebe Leser, im Foto zeigen kann. Aber die Wirklichkeit, die dreidimensionale Figur, sollte man mit eigenen Augen gesehen haben. Und das Dritte - das handwerkliche Wissen und Können - kann ich nicht einmal meinen Kindern weitergeben. Aber es besteht die Möglichkeit, ein paar Tricks oder die Verwendung der Werkzeuge zu zeigen.

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Zeichnung und Schablone
für einen Triton
auf Millimeterpapier übertragen fertig zum Anbau

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../../button4.gif Der Katalog -.-   
Schwimmende Kunstwerke von Ivan Trtani
Format: 220 x 240 mm
Seiten: 4 Seiten Umschlag und 120 Seiten Inhalt
Druck: 4-farbig
Durchgehend bebildert Preis: 15,- € zzgl. Versandkosten

Bezugsquellen:
E-Mail: info@historische-schiffsmodelle.com
oder schriftlich: Museum im Schlössle,
Seestraße 20,
88079 Kressbronn

Adresse des Museums und Öffnungszeiten:
Museum im Schlössle
Seestraße 20
88079 Kressbronn
Telefon: 0 75 43-54 74 60
Öffnungszeiten von April bis Oktober:
Dienstag bis Sonntag von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr
und von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Montags geschlossen!
Persönliche Führungen mit Ivan Trtani sind um Wochenende noch Voranmeldung möglich.
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So sehen die fertig geschnitzten
und angepaßten Teile auf der Steuerbordseite aus

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Nahaufnahme der Steuerbordseite Ausschnitte der Originalzeichnung;
das sollte man "erlesen" können,
um es später entsprechend
als Schnitzwerk darzustellen


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Ivan Trtanj auf der Messe Friedrichshafen 2006

Ivan Trtanj

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