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Modellbau
Planvorlage |
mini-sail
e.V. |
mb-07-25.htm; 11.2007
erschienen in MODELLWERFT 10/2007
diese Bilder lassen sich
vergrößern
- - - Sandbagger - Adrenalina - - -
Baubericht von Uli Schramm
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Vorwort |
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Ich muß zugeben: Als ich das erste Mal das Wort "Sandbagger" im Zusammenhang mit Schiffen
hörte bzw. las, dachte ich eher an eine Art Maschine, die die Fahrrinne eines Gewässers für
Schiffe freihält, aber nicht an ein Segelboot. Und wenn man das Wort "Sandbagger" in eine der
einschlägigen Internet-Suchmaschinen eingibt, landet man eher auf einer Seite, wo
Sandkastenspielzeug für Kinder angeboten wird, nicht auf einer Seite, die mit Segeln zu tun hat.
Dann las ich irgendwo von einem Segelboot, das (fast) ohne Wind segeln kann, und gleichzeitig
erinnerte ich mich an eine Mini-Sail-Veranstaltung, auf der ich ein Segelboot gesehen hatte, sehr
flach (fast wie ein Surf-Brett), das bei dem leisesten Windhauch abging wie "Schmitz´s Katze";
und da war meine Neugier bzw. mein Ehrgeiz geweckt: so was wollte ich auch gerne mal bauen: Einen
"Sandbagger".
Diese etwas sonderbare Bezeichnung für ein Segelboot hat in der Tat viel mit "Sand" zu tun,
allerdings nur wenig mit dem, was wir normalerweise unter einem "Bagger" verstehen. Der Name
kommt von dem englischen Wort "bag" - "Tasche" / "Sack", und es hat damit folgende Bewandtnis:
Als ein extrem flaches Boot (Tiefgang ohne Schwert meist weniger als 50 cm, Länge ca. 6-8 m, bei
einer Verdrängung in der Größenordnung von ca. 3-4 Tonnen) mit einer extrem großen Segelfläche
(weit über 100 m2), braucht ein "Sandbagger" viel beweglichen Ballast, der jeweils auf der
Luv-Seite gelagert wird, damit das Boot nicht kentert, wenn der Wind in die Segel greift. Dieser
Ballast bestand einerseits aus der Segel-Mannschaft (z.T. bis 15 Personen), und zum anderen aus
einer größeren Zahl (25 und mehr ) von Sandsäcken ("Sandbags"), je 20-30 kg, die von der
Mannschaft bei jeder Wende (oder Halse) möglichst schnell auf die Luv-Seite rübergeschafft
wurden. Diese Sand-Säcke brachten den Booten dann den Namen "Sandbagger".
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Erste Überlegungen |
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Auf der Suche nach geeigneten Spanten- bzw. Segelrissen bzw. weiteren Unterlagen und
Informationen haben mir viele Mini-Sailor mit Rat und Tat und Kopien zur Seite gestanden. Andere
Modellbaukollegen "versorgten" mich mit Getriebemotoren und anderen nützlichen Dingen aus ihrer
Bastelkiste. Herzlichen Dank an dieser Stelle für alle Unterstützung!
Entschieden habe ich mich schließlich für die Linien des Sandbaggers "LAURA", 1861 in den USA als
Rennboot für Binnengewässer konstruiert. Länge 8 m, Breite 3,30 m, Tiefgang (ohne das aufholbare
Schwert) 0,43 m, Segelfläche 101 m2, "Besatzung" (besser gesagt "lebendiger Ballast"): 12
Personen.
Im Modellmaßstab 1:7 ergibt sich eine Rumpflänge von ca. 1,15 m, eine "Länge über alles" von 2,53
m !! - gerade noch in meinem Passat-Kombi transportierbar.
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Erste Bauschritte |
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Zunächst wurde der Rumpf in der üblichen Spantbauweise (4-mm Sperrholz-Spanten und 3-mm
Abachi-Planken) gebaut. Schon während des Bauens war ich fasziniert und gleichzeitig auch ein
wenig verunsichert, wie extrem flach die ganze Sache werden würde ...
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beunruhigend flach für jemanden, der sonst nur Langkieler mit unten ordentlich
Ballast baut |
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Verdrängungstest |
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Nach einem ersten provisorischen Anstrich wurde ein "Badewannentest" durchgeführt. Es ergab
sich eine Gesamtverdrängung (Beladen mit Gewichten bis zur Wasserlinie) von etwa 10-11 kg. Der
"nackte" Rumpf wiegt gut 2 kg (ja, ,ja, ich weiß, man kann so was auch leichter bauen ...), die
Takelage wird mal mit 1 kg veranschlagt, die elektrischen und mechanischen "Innereien" mit noch
mal 1-2 kg. Das Schwert aus 6 mm Stahlplatte wiegt ca. 2 kg, macht zusammen etwa 6-7 kg. Bleiben
noch ca. 3-4 kg für den "beweglichen Ballast" ("Sandsäcke").
Genau dieser Ballast machte für mich die ganze Sache nun besonders interessant. Ich wollte ihn
nämlich nicht einfach als Bleibombe unten an ein (überdimensional) langes Schwert "dranpappen".
Nicht nur wegen diverser Wasserpflanzen, die sich erfahrungsgemäß besonders gerne an Schwerter
mit Ballastbombe anhängen, sondern es reizte mich einfach, einmal zu versuchen, ein Segelboot mit
"echt" wenig Tiefgang zu bauen: Aufholbares Schwert, und wie gesagt: beweglicher Ballast (in
meinem Fall dann also weniger ein Sandbagger, sondern eher ein Bleibagger ...). Vielleicht kommt
das Boot damit sogar mal - wie ein Surfbrett - ins Gleiten - trotz 10 kg - ... ??!!
Doch bis es so weit hätte sein können, lag noch eine ganze Menge Bastel- und Tüftelarbeit vor mir
...
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Aufholbares Schwert und "Platz" für den Ballast: |
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In die fertige Rumpfschale wurde der Schwertkasten für das aufholbare Schwert eingebaut. Der
Schwerpunkt des Bootes liegt im Bereich dieses Schwertkastens. Die "Ruheposition" des beweglichen
Ballastes muß also ebenfalls in der Region des Schwertkastens sein. Wenn das Schwert aufholbar
sein soll, muß es also eine Aussparung aufweisen, in die der Ballast hineinpaßt bzw. von einer
Seite zur anderen hindurchbewegt werden kann. Von daher haben Schwert und Schwertkasten jene
etwas sonderbare, im Bild erkennbare Form.
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Lücke in Schwert und -Kasten für den Ballast |
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ausgefahrenes Schwert ...
(Hier ist übrigens noch einmal gut zu erkennen, wie flach der Rumpf ist) |
Ein freundlicher Nachbar hat in stundenlanger Arbeit die eckigen Säge-Kanten des Schwertes mit
seiner Flex in eine hydrodynamisch akzeptable Form gebracht (vielen Dank auch an ihn!). Nach
einigen geringfügigen Korrekturen mit Säge u. Feile erfolgte der provisorische Einbau / das
Einhängen des Schwertes. Der Rumpf bekam die zweite und dritte Lackierung, dann ging´s ab zum
nächsten Badewannentest. Alles war "dicht".
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Badewannentest; beladen mit Blei-Stücken |
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Der bewegliche Ballast |
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Die Grundidee: Ein zylinderförmiger Ballastkörper aus Blei wird auf einer Art Schiene rollend
von einer Boot-Seite auf die andere gezogen. Die Bedienung erfolgt über die Seile einer Winde,
die von einem Lage-Regler (aus dem U-Boot Modellbau) gesteuert wird. Das Bleigewicht wird jeweils
auf die der Schräglage/Krängung des Bootes entgegengesetzte Seite ("Luv") gezogen.
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Das Trimmgewicht ist grob fertig in die Konservendose hineingegossen ... |
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Balsaholz-Unterbau für die Rollschiene von "Lee" nach "Luv" Das Gewicht ist
provisorisch positioniert |
Der Badewannentest hatte ergeben: Die Ballastmasse kann bis zu 4 kg betragen. Die
Durchlaß-Lücke im Schwertkasten ist gut 7 cm breit. Will man ein zylinderförmiges Bleigewicht von
knapp 4 kg bei ca. 7 cm Breite erhalten, ergibt sich ein Zylinder-Durchmesser von ca. 8 cm (--
Zur Gewichts-Berechnung: Zylindergewicht: = (Radius zum Quadrat) mal ("pi") mal (Zylinderhöhe)
mal (spezifisches Gewicht von Blei): 16 x 3,14 x 7 x 11 = 3870 g --). Eine leere Konservendose
von ca. 8 cm Durchmesser wird also 7 cm hoch mit Blei ausgegossen: Dies ergibt dann ein
Zylindergewicht von ca. 3,8 kg und den "richtigen" Abmessungen.
-- Übrigens: Vor dem Blei-Gießen hatte ich viel zu lange viel zu großen Respekt. Es ist viel
unkomplizierter als man vielleicht im ersten Moment meint. Es genügt ein alter Topf, in den die
Bleistücke (z.B. Blei-Blech vom Dachdecker oder Abfall-Blei-Gewichte vom
Reifenhändler/Kfz-Werkstatt ...) gefüllt werden und eine Herdplatte, auf der das Ganze dann
erhitzt wird. Der Schmelzpunkt von Blei liegt bei etwa 320 Grad - eine Temperatur, die bequem von
einer Herdplatte erreicht wird. Wenn alles flüssig ist (ggf. in mehreren Portionen; Deckel auf
dem Topf ist hilfreich zum schnelleren Aufheizen; ...) gieße ich alles in die Form (in diesem
Fall Konservendose), die in einem Eimer mit Sand "ausbalanciert" gelagert ist. Man braucht
übrigens keine große Angst vor Verunreinigungen zu haben. Sand, Halteklammern, Farbreste usw.
schwimmen in schweren flüssigem Blei an der Oberfläche und bleiben beim Gießen als Schlacke
zurück. Also: Gießen - Abkühlen lassen - mit Feile, ggf. Autospachtel nacharbeiten - ggf.
Lackieren - Fertig.
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RC-Elemente; Winden; Ruder; usw. |
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Winde für den Ballast:
Kurzzeitig hatte ich überlegt, eine entsprechend starke Segelwinde (ca. 120 Ncm Stellkraft)
einzusetzen. Vorteil: Alle notwendige Steuerelektronik und -mechanik ist bereits vorhanden. Der
Nachteil: Eine Last von ca. 4 kg würde sie zwar bewältigen, jedoch, um das Gewicht in
entsprechender Position zu halten, ständig Strom ziehen. Ich entschied mich darum, einen
selbst-sperrenden Getriebemotor ("Schneckengetriebe"), den ich noch in der Bastelkiste hatte, als
Winde auszurüsten.
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provisorischer Einbau der Ballastwinde; das Gewicht ist nach Steuerbord
gezogen |
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Servo mit angebrachten Mikroschaltern Zwischen Servo und Empfänger ist der
U-Boot Lageregler geschaltet. |
Die Steuerung der Winde erfolgt nun über Mikro-Schalter, die von einem Servo betätigt werden.
Dieses Servo wird mit Hilfe des o.a. U-Boot-Lagereglers gesteuert: Bei Krängung drückt der
Servo-Arm auf den entsprechenden (linken oder rechten) Mikroschalter und das Trimmgewicht wird
von der Winde nach Luv gezogen. Schwimmt das Boot wieder aufrecht, geht der Servoarm wieder in
Ruhelage, die Winde hört auf zu ziehen und hält das Trimmgewicht in der entsprechenden Position,
so lange, bis das Servo - ggf. nach Wende oder Halse - wieder tätig wird. Mit zwei weiteren
Mikroschaltern wird eine automatische Endabschaltung eingerichtet, die verhindert, daß das
Ballastgewicht bei nicht ausgeglichener Krängung über die Bordwand hinausgezogen wird.
Darüberhinaus ist natürlich auch - per Schieberegler am Sender - eine Steuerung "von Hand"
möglich ("Übersteuerung" des automatischen Lagereglers).
Schwert
Um das Schwert hochzuziehen bzw. zu fieren, wurde eine weitere Getriebemotor-Winde eingebaut. Die
Steuerung erfolgt wieder über Servo und Mikroschalter (diesmal natürlich ohne "Lage-Automatik",
allerdings auch mit automatischer Endabschaltung per Mikroschalter).
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hier das "Innenleben" zur Steuerung des Sandbaggers:
- Lage-Regler
- Getriebemotor zum Auffieren des Schwertes;
- Servo zur Motorschaltung;
- Winde zum Steuern des Ballastgewichtes;
- Servo zur Windensteuerung;
- Empfänger
- Ruderservo.
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Blick nach vorne auf:
- Ballastgewicht und
- die beiden Segelwinden[HS1]?.
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Segelsteuerung:
Für die Segelsteuerung kommt die übliche Steuerung mit Hilfe zweier Segelwinden mit
Endlos-Umlaufschot zum Einsatz - jeweils eine für Groß- und Focksegel. Da es sich bei Sandbaggern
um ausgesprochene Leichtwindsegler handelt, dürften auch bei einer geplanten Segelfläche von ca.
2 m2 normal dimensionierte Segelwinden völlig ausreichen.
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Ruder: |
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Das Ruder wird, bei einer Länge von ca. 20 cm, recht große Kräfte zu meistern haben. Darum
wird es mit einem - relativ starken - Segelverstellservo angesteuert.
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Ruder-Aufhängung; das Ruder ist ca. 20 cm lang ... |
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Deck |
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Nachdem die "Innereien" eingebaut waren und funktionierten, wurde das Deck (2 mm Sperrholz) in
mehreren Teilstücken aufgebaut. Dabei ist der "offene" Teil des Decks gegenüber dem Original
vergleichsweise klein ausgefallen. Denn um die elektrischen und mechanischen Bauteile vor Wasser
zu schützen, mußte ich so manchen Kompromiß eingehen gegenüber Decksgestaltung des Originals
(Gutgemeinte Ratschläge von Modellbau-Kollegen befolgend, habe ich dann noch zusätzlich eine
durchsichtige Plexiglas-Abdeckung für den offenen Teil gebaut ...).
Die Beplankung besteht aus Mahagoni-Umleimer-Furnier aus dem Baumarkt, mit Pattex fixiert und
dann "festgebügelt"; die "Kalfaterung" sind schwarze Wollfäden.
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Das Deck ist im Rohbau angebracht, die Fugen/Stoßkanten verspachtelt. Aus
Sicherheitsgründen ist der offene Teil wesentlich kleiner geraten als beim Original |
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Durch die weitere Ausgestaltung des Decks wird der recht kleine "offene Teil"
optisch ein wenig vergrößert. |
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... schon mal Probesitzen ... |
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eine Plastikabdeckung soll den "offenen Bereich" vor eindringendem Wasser
schützen |
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Masten, Bäume usw. |
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Aus einem Angler-Geschäft habe ich mir eine Angelrute besorgt: Kohlefaser, teleskopartig
zusammensteckbar, ca. 4 m Gesamtlänge (keine 250 g schwer, gerade mal 10,- € billig),
optimales Grundmaterial für Masten und Bäume (Übrigens: auch für andere Zutaten, Beschläge,
Haken, usw. sind Angelgeschäfte wahre und preiswerte Fundgruben!). Mit einer hellen Grundierung
versehen und dann mit Holzlasur angemalt, sehen sie fast "echt" aus. Die Beschläge kann man
natürlich nicht - wie bei Holz - einfach "reinbohren", sondern ich habe sie aus Aluminiumblech
geschnitten und wie "Manschetten" außen um die hohlen Stangen herumgeklebt (Epoxy). Lediglich der
Mastfuß bekam eine "Holzeinlage", so daß ich hier - wie gewohnt - bohren, sägen und feilen
konnte, um Mastlagerung und Baum-Befestigungsbeschlag anzubringen.
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Masten und Bäume aus Angelruten-Material. Die Beschläge aus Alu-Blechstreifen
sind um die Stangen herumgebogen und mit Epoxy festgeklebt. Bei genauem Hinsehen kann man etwas
links von der "Saling" eine Nahtstelle erkennen, wo die Rohre ineinandergeschoben sind. |
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Mastfuß aus Holz-Rundmaterial.
"Rechts" vom Lümmellager bereits das aufgesteckte Angelruten-Rohr. |
Dann wurde das Boot zum ersten Mal probeweise aufgetakelt - mit "Plastik"-Segeln, damit deren
Zuschnitt ggf. noch entsprechend den ersten Testfahrt-Ergebnissen mit der Schere korrigiert
werden konnte. Es kann einem schon ein wenig mulmig werden, wenn man die Relationen zwischen
Rumpfgröße und Segelfläche bedenkt ...
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Probe-Takeln im Wohnzimmer .... |
Doch bevor es "in echt" aufs Wasser geht, mache ich erst mal einen kleinen Trockentest: Das
Boot wird - aufgetakelt und mit Trimmgewicht versehen - auf eine Wippe gestellt, die jeweils nach
Backbord bzw. Steuerbord kippen kann. Mit dem ganzen "Ensemble" geht es raus auf den Hinterhof,
wo eine leichte Brise (ca. 1-2 Bft) sofort in die Segel greift und das Boot auf die Seite legen
will. Das Trimmgewicht setzt sich in Bewegung und hält das Boot dann doch - sogar besser als ich
dachte - einigermaßen aufrecht.
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Wind von Backbord,
Trimmgewicht rollt nach Luv und hält das Boot aufrecht.
- Hoffentlich wird das auf dem Wasser genau so funktionieren! - |
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Jungfernfahrt |
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Am ersten Wochenende des Jahres, das so einigermaßen vom Wetter her geeignet ist, geht´s dann
raus an den Teich. Das Herz klopft schon ein wenig mehr als bei anderen Jungfernfahrten.
Insbesondere deshalb, weil das Boot doch etwa 2 kg schwerer geworden ist, als ursprünglich
beabsichtigt. Ein Badewannentest im fertigen Zustand ist leider aus Platzgründen nicht mehr
möglich gewesen, so daß mein Boot direkt "ins kalte Wasser springen" muß. Windstärke 1-2 Bft:
Ideal; allerdings dann doch auch einige unregelmäßige Böen von 3-4 Bft dazwischen. Aber:
"Bangemachen gilt nicht"; einige Modellbau-Kollegen sind auch da, die mein evtl. gekentertes Boot
an Land schieben könnten. Also: Auftakeln, Funktionsüberprüfung - und ab ins Wasser. Das Boot
sinkt bis zum oberen Rand der bewußt etwas breiter gemalten Wasserlinie ein; Freibord nur etwa
2,5 cm. Aber: Es schwimmt! Zunächst mal - natürlich - schön am Ufer entlang. Das Boot nimmt Fahrt
auf und erreicht bei recht wenig Wind doch sehr schnell Rumpfgeschwindigkeit. Auch die
Kursstabilität ist zufriedenstellend; bei runtergelassenem Schwert (am Wind) etwas luvgierig, bei
hochgezogenem Schwert (raumer Wind) läuft es gerade wie an einer Schnur. Die Segel können also
genau so genäht werden, wie die erst mal provisorisch zugeschnittenen Kunststoffsegel, ohne daß
größere Korrekturen nötig sind.
Ich werde mutiger und wage einen Schlag quer über den Teich - das Boot segelt zu meiner
vollsten Zufriedenheit. Auch die Wende, die ich sehr "langsam" fahre, damit das Gegengewicht
genug Zeit hat, um nach Luv rübergezogen zu werden, klappt wie geplant. Die Halse ist etwas
schwieriger - hier kann ich mich nicht ganz auf die Automatik verlassen, sondern muß schon vorher
"per Hand" das Rüber-ziehen des Gewichts einleiten: der umschlagende Baum bzw. die plötzliche
Windrichtungsänderung würde das Boot zu schnell auf die andere Seite drücken, so daß das Gewicht
nicht mehr "mitkommt". Mit dieser Art von Vorbereitung klappt jedoch auch die Halse
problemlos.
Aber dann: eine unerwartete Böe von der falschen Seite, eine Patenthalse, und der GAU ist
passiert: Der Sandbagger liegt auf der Seite. Leider habe ich davon keine Fotos (in solchen
Momenten denkt der verzweifelte Modellbauer nicht unbedingt ans Fotografieren ...). Die
Plastikflasche mit Sicherheitsleine, die als Not-Boje gedacht ist, rollt über Bord, und in
Gedanken sehe ich mich schon mit einem Schlauchboot über den Teich rudern und mit Hilfe der
Notleine das Boot vom "Meeresgrund" hochziehen. Aber - oh Wunder! - als der Wind nachläßt,
richtet sich das Boot wieder auf. Physikalisch ist mir das ein Rätsel bei 2 qm Segelfläche und
einem Schwertgewicht von nur 2 kg. Jedenfalls: ich kann das Boot "mit eigener Kraft" an Land
segeln lassen. Der "offene Teil" hat hat dann doch - trotz Abdeckung - einige "Spritzen" (im
Klartext: gut 2 Liter) Wasser aufgenommen. Hier wird wohl noch einiges an dichterischer Tätigkeit
nötig sein. Die "Schutzräume" hingegen, wo Elektronik, Servos, Winden usw. untergebracht sind,
sind glücklicherweise relativ trocken geblieben.
Alles in allem: Die "Feuertaufe" ist bestanden, und bei wenig Wind segelt der Sandbagger echt
klasse. Mein Traum vom Gleiten hat sich allerdings noch nicht erfüllt!
Aufgrund der gemachten Kentererfahrung werde ich wohl von meinem Prinzip abgehen müssen und
diesmal die Segel nicht aus Stoff herstellen, sondern aus "künstlichem" Material. Denn mit
"gewässerten" Stoffsegeln wäre das alles wohl nicht so glimpflich abgelaufen ...
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Die ersten "Gehversuche", zunächst mal mit Sicherheitsboje in Form einer
Plastikflasche mit aufgewickelter Rettungsleine ...
Das beängstigend geringe Freibord ist gut zu erkennen. |
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Rumpfgeschwindigkeit, auch bei wenig Wind ... |
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Die "echten" Segel werden zugeschnitten |
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fertig aufgetakelt |
Nach dem Zuschneiden, Nähen und Auftakeln der "echten" Segel ging´s erneut an den Modellteich,
zur zweiten "Jungfernfahrt". Die Fock habe ich (im Vergleich zur "Probe"-Fock) ein wenig
vergrößert, um die Luvgierigkeit bei heruntergelassenem Schwert zu kompensieren. Der Wind ist
etwas stärker als bei der ersten Erprobung, aber auch hier hält sich das Boot recht gut.
Allerdings macht sich bei achterlichem Wind der Drang zum Unterschneiden (Bug senkt sich, Heck
hebt sich) doch sehr bemerkbar.
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Zweite "Jungfernfahrt" mit den "richtigen" Segeln
Im Bild links kann man noch einmal gut erkennen, daß kaum Wind nötig ist, um das Boot in Fahrt zu
bringen:
Die Wasserfläche vor dem Bug ist fast spiegelglatt,
die Wellen nach hinten weg entstehen erst durch die Bewegung des Bootes. |
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Weitere Verbesserungen |
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- Die Erfahrungen nach den ersten Probefahrten gaben Anlaß, noch
einige weitere Verbesserungen vorzunehmen:
- Gegen den Wassereinbruch bei Kenterung wurde die Plastik-Abdeckung über dem "offenen Bereich"
mit einer Silikondichtung versehen. Außerdem habe ich eine Lenzpumpe eingebaut, die dafür sorgt,
daß nach einer Kenterung (und hoffentlich wieder erfolgter Aufrichtung) das (trotz Dichtung)
eingedrungene Wasser wenigstens zum größten Teil wieder dorthin befördert wird, wohin es gehört:
zurück in den Teich!
- Eine weitere Veränderung: Das Anheben des Hecks bei Unterschneidung bewirkt natürlich auch,
daß die Ruderwirkung des zwar langen aber nicht gerade tief eintauchenden Ruders sehr nachläßt.
Aus diesem Grund habe ich ein Klapp-Ruder gebaut, das gleichsam "automatisch" tiefer eintaucht,
wenn sich das Heck hebt.
- Darüberhinaus habe ich - den Rat eines Minisail-Modellbaukollegen befolgend - dann noch
versucht, den Schwerpunkt des Bootes ohne aufwändige Umbau-Maßnahmen weiter nach Achtern zu
verlegen: Austausch des im Vorschiff untergebrachten relativ schweren Bleiakkus gegen leichtere
NiMH-AA-Zellen und Verlagerung dieses um etwa 500 g leichteren Stromversorgungspacks so weit wie
möglich nach hinten.
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Ansaugschlauch in der Bilge, um eingedrungenes Wasser abzusaugen. Auch die
Öffnung des Schwertkastens wurde abgedichtet, um ein Vollaufen während einer Kenterung zu
verhindern. |
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links das "alte" Ruder, rechts das Klappruder. Das Ruderblatt ist aus Holz und
schwimmt eingetaucht "waagerecht". Hebt sich das Heck aus dem Wasser, klappt das Ruderblatt
infolge seines Gewichtes nach unten und bleibt im Wasser eingetaucht. |
All diese Maßnahmen trugen mit dazu bei, daß sich die Schwimm- und Segeleigenschaften meines
Sandbaggers noch einmal spürbar verbesserten.
Trotzdem: dieses Boot zu segeln ist und bleibt - im Vergleich zu meinen anderen Segelbooten -
eine recht (an-)spannende Sache und und sorgt immer wieder für die ein oder andere
Adrenalin-Ausschüttung beim Modellkapitän.
Der Name, den ich meinem Boot geben werde, wird dieser Tatsache sicherlich Rechnung tragen. Wie
wär´s mit: "ADRELINA"?
Daten: |
Original: |
Modell: |
Name: |
Laura |
Adrelina |
Baujahr: |
1862 |
2007 (ca. 200 Std.) |
Herkunftsland: |
USA |
D |
Rigg: |
Gaffelsegler |
Gaffelsegler |
Länge ü.a. |
17,75 m |
2,53 m |
Rumpflänge: |
8,23 m |
1,14 m |
Länge Wasserlinie: |
8,17 m |
1,13 m |
Breite: |
3,30 m |
47,5 cm |
Höhe (Gaffelspitze) |
13,2 m |
1,85 m |
(Mastspitze über CWL) |
11,2 m |
1,76 m |
Tiefgang: |
0,43 m |
5,7 cm |
Tiefgang mit Schwert: |
bis ca. 1,8 m |
bis ca. 36 cm |
Verdrängung: |
3,8 t (geschätzt) |
13 kg |
Segelfläche: |
101,3 qm |
2,08 qm |
Maßstab: |
|
1:7 |
mini-sail ahoi
Uli Schramm