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Planbau
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mb-06-05.htm; 02.2006
© erschienen in SchiffsModell 10/2000

mb-06-05-b01.jpgZeesenboot GODEKE M.

Baubericht von Dr. Joachim Michels


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../../button4.gif Vorwort -.-   
Westwind Stärke 5, in Böen 6, kurze harte Wellen. Die Zeese jagt mit Vollzeug vor dem Wind übers Wasser. Das Boot giert stark, der Versuch, Schmetterling zu fahren, scheitert. Der Skipper hat trotz großer Ruderausschläge Probleme, Kurs zu halten und eine Patenthalse zu verhindern. Als das Boot näher kommt, kann man sehen, daß es viel zu tief im Wasser liegt. "Wenn da irgendwo Wasser eindringen sollte, wird es langsam gefährlich", denkt der Skipper und schätzt die Entfernung zum rettenden Ufer. Dann geht plötzlich alles sehr schnell ...

Aber soweit sind wir ja noch gar nicht. Denn dies ist ja ein Baubericht, und die Fahrerprobung kommt bekanntlich erst am Schluß. Also noch mal, und jetzt in der richtigen Reihenfolge.

Bei einer Hafenrundfahrt im Hafen von Stralsund erklärte der Barkassenführer die am Kai liegenden Schiffe und deutete unter anderem auf ein großes hölzernes Segelboot: "Das ist ein Zeesenboot", berichtete er, "ein ehemaliges Fischerboot, das man zum Sportboot umgebaut hat. Früher hat es mehrere hundert dieser Boote gegeben, heute sind noch etwa 90 übrig. Die meisten fahren jetzt als Sportboote, und wegen ihrer guten Segeleigenschaften werden jetzt sogar Regatten gefahren."


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../../button4.gif Geschichte -.-   

Die Zeesenboote begannen mich zu interessieren, und als ich dann später einen Bildband darüber entdeckte, konnte ich nicht widerstehen. Ich las, daß sich das Zeesenboot Anfang des 19. Jahrhunderts aus älteren Typen entwickelt hat. Der Name kommt von dem Fischernetz, das man Zeese nannte. Das Neue war, daß man zum Fischen an Bug und Heck lange Spieren - sog. Tuckbäume - ausfuhr, daran das Netz befestigte und sich mit aufgeholtem Schwert quer zum Wind treiben ließ.

Die Boote waren etwa 10 bis 12 m lang, 2,80 bis 3,45 m breit und hatten einen breiten Sohlkiel. Zur früheren Klinkerbeplankung kam später die Kraweelbauweise hinzu. Die älteren Boote hatten ein einzelnes Seitenschwert, das auf der jeweiligen Seite angebracht wurde. Die neueren Boote rüstete man dann mit einem hölzernen Mittelschwert aus. Alle Zeesenboote waren halbgedeckt mit einem Kajütaufbau. Die mittlere Plicht war als freiflutender Fischkasten ausgelegt, die sog. Bünn. Getakelt waren die "Zeese", wie sie in der Region nur genannt werden, als Ketsch oder als Slup. Auffällig ist das große luggerähnliche Toppsegel mit seiner hochragenden Spiere, durch die der Mast noch länger erscheint.

Beim Umbau zu einem Sportboot fällt der Fischkasten natürlich weg, statt dessen lassen manche Eigner eine weitere Kajüte einbauen oder belassen den Raum als offene Plicht. In diesem Falle ist zur Abdeckung eine seefeste Persenning vorgeschrieben, wenn Reisen entlang der Küste durchgeführt werden.

Nachdem es mir gelungen war, Pläne eines alten Zeesenbootes zu bekommen, habe ich den Bau dann so durchgeführt, wie jemand vorgehen würde, der heute ein altes Zeesenboot zu einer Privatyacht umbauen möchte.

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../../button4.gif Rumpfbau -.-   

Als Maßstab wählte ich 1:10, was eine Rumpflänge von 97 cm und eine Masthöhe einschließlich Toppsegelspiere von 130 cm ergibt. Der Bau beginnt mit der Herstellung der Kielplatte aus einem massiven Nußbaumbrett, in diesem Fall 8 mm dick. Um den für die Zeesenboote typischen Sohlkiel zu erhalten, wurde dieses Brett unten auf beiden Seiten durch entsprechende Vierkanthölzer verbreitert. Nach der erforderlichen Zurichtung geht dieser 24 mm breite Sohlkiel in 8 mm breite Vor- und Achtersteven über. Die fertige Kielplatte wurde dann senkrecht auf dem Hellingbrett befestigt, anschließend kam die Montage der Spanten aus 6-mmSperrholz mit Balsaumrandung. Da zu diesem Zeitpunkt alles noch schön zugänglich war, habe ich dann die Rohre für die Kielbefestigung, das Stevenrohr und den Träger für den Hilfsmotor angepaßt. Dabei halfen einige Hilfsleisten, die spätere Außenhaut darzustellen, weil ich den Motor so tief wie möglich einbauen wollte Anschließend erfolgte das Straken und dann das Aufbringen der Beplankung, in diesem Falle aus Nußbaumleisten 1 x 10 mm. Dabei überraschte mich die mit fortschreitender Beplankung immer deutlicher werdende Eleganz der Rumpflinien.

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Blick auf das Deck, in der Mitte die unter einer Persenning verborgene Bünn

Nach dem Verschleifen wurde der Rumpf innen mit Glasgewebe und Kunstharz abgedichtet. Durch die Balsaumrandung dringt das Harz auch zwischen Planken und Spanten, was eine recht lückenlose Beschichtung bewirkt. Als letzte Abdichtung gieße ich immer etwas G4 in den Rumpf. Dieses 1-Komponenten-Polyurethanharz ist flüssig wie Wasser und kriecht in die letzten Ritzen. Erfahrungsgemäß ist der Rumpf nach dieser Behandlung absolut dicht, bleibt aber ziemlich leicht.
Nach der Beplankung war der Einbau von Antrieb, Ruderanlage und Segelsteuerung an der Reihe. Um sicherzustellen, daß später auch alles erreichbar sein würde, habe ich eine Decksschablone aus Pappe mit den entsprechenden Ausschnitten angefertigt und über den Rumpf gelegt.


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../../button4.gif Motor -.-   

Als Motor kommt ein alter Monoperm zum Einsatz, den ich noch übrig hatte. Er muß ja nicht viel leisten, nur das Boot bei völliger Flaute ans Ufer bringen. Etwas schwieriger war dann schon die Konstruktion der Ruderanlage. Da es sich um eine offene Pinnensteuerung handelt, schied eine unsichtbare Anlenkung aus. Wie schon bei einem früheren Modell beschrieben, bot sich auch hier eine Kolderstock-Lösung an. Das heißt, ein waagerecht liegendes Servo dreht eine nach oben abgewinkelte Stange, die mit der Ruderpinne gelenkig verbunden ist und diese wie ein Kolderstock bewegt. Die Enttäuschung kam bei der ersten Funktionsüberprüfung: Der Ruderausschlag war viel zu gering. Nach einigen Versuchen kam ich dahinter, daß die Ursache in dem starken Neigungswinkel des Achterstevens zu finden war. Der Drehpunkt des Ruders lag so weit nach achtern, daß der Ausschlag des "Kolderstocks" nicht ausreichte. Die Lösung des Problems brachte dann ein leichtes Segelverstellservo mit größerem Drehwinkel (ca. 140 Grad). Das Ruder bewegt sich nun zwar etwas langsamer, was aber eher vorbildgetreu wirkt, es erreicht so aber einen Ausschlag von etwa 35 bis 40 Grad nach jeder Seite.

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Im Bild oben die Vordeckluke,
darunter die Genuawinde und die
Umlenkung für die Groß-Umlaufschot


Rechts im Bild sind vor Aufleimen des Decks die beiden
Umlaufschoten aus Märklin-Kette gut erkennbar

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../../button4.gif Ruder -.-   

Das Ruderblatt habe ich zur Verbesserung der Wirkung etwa auf das Doppelte vergrößert, was erfahrungsgemäß ausreichen sollte. Damit es nicht aufschwimmt, erhielt es unten einen Rand aus Blei. Die Scharniere fertige ich immer aus dem Innenleben von Lüsterklemmen. Eine angelötete lange Schraube mit abgesägtem Kopf sorgt für stabilen Halt im Holz.


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../../button4.gif Segel -.-   

Das nächste Kapitel ist die Ansteuerung der Segel. Die meisten Zeesenboote haben eine Ketschtakelung, es ist aber auch eine Sluptakelung möglich. Ich habe mich für letztere Variante entschieden, da bei der angegebenen Masthöhe die Segelfläche mehr als reichlich sein dürfte. Um den Segeldruckpunkt zu verändern, entfällt damit auch der Klüver. Den könnte man allerdings nachrüsten, falls die spätere Fahrerprobung anders als erwartet ausfallen sollte. Zur Steuerung der Großschot baute ich wieder eine Endlosschot in Form einer Märklin-Kette ein, die über Zahnräder von einer Segelwinde angetrieben wird. Da ich die Schiffsmitte für die Fockschotführung freihalten wollte, verlegte ich die Konstruktion so weit wie möglich auf die Steuerbordseite. Die Schot läuft dann durch ein Kunststoffröhrchen zu einem Leitwagen auf dem Achterdeck, ein frei laufender Block leitet die Schot von dort zum Schothorn des Großsegels weiter.

mb-06-05-b06.jpgpfeil-li.gifDer Gleitschuh an der Gaffel

Für die Steuerung der Fockschot habe ich bisher immer ein Verstellservo benutzt. Um einen längeren Schotweg zu erhalten, der es ermöglicht, die Fock in der Wende richtig aufzufieren, wollte ich diesmal eine zweite Endlosschot benutzen. Um eine ausreichend hohe Stellgeschwindigkeit zu erreichen, mußte eine Segelwinde mit relativ hoher Drehzahl den Antrieb übernehmen. Allerdings konnte ich diesmal kein Zahnrad von passender Größe finden, ich mußte daher aus einer stabilen Servosteuerscheibe selber eines anfertigen. Das war zwar etwas umständlich, aber doch nicht so schwierig, wie ich gedacht hatte. Zur Umlenkung der Kette konnte ich dann wieder auf ein normales Märklin-Zahnrad zurückgreifen.

Die Fock wird beim Original über eine Leitschiene um den Mast geführt. Mit einem frei laufenden Block hätte ich jedoch keine Möglichkeit, die Fock beim Kreuzen back zu setzen. Daher habe ich zwei Schoten vorgesehen, die über zwei Blöcke auf der Leitschiene geführt werden. Mit Hilfe von Stellringen kann man diese Blöcke dann auf der Schiene fixieren, wobei sich der günstigste Holepunkt wohl erst beim Segeln ergeben wird. Die Endlosschot habe ich mittschiffs angeordnet, etwas oberhalb der Ebene der Großschotansteuerung. Die Fockschoten laufen dann später von der Leitschiene über Deck durch eine Klampenattrappe in die Plicht und dort über Um[aufrollen zur Kette. Als Rollen habe ich kugelgelagerte Blöcke genommen, damit sich die Schoten auch bei schwachem Wind leichter auffieren lassen.


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../../button4.gif Deck -.-   

mb-06-05-b07.jpg Nachdem alles eingebaut war, konnte das Deck hergestellt werden. Kajütaufbauten und Süllränder entstanden aus Sperrholz mit Nußbaumverkleidung, dabei bleiben die Kajütdächer natürlich abnehmbar. Die Plicht müßte natürlich eigentlich offen bleiben. Da ich aber kein Interesse daran habe, Zuschauern das Schauspiel eines in einer Bö "leider" untergehenden Modells zu bieten, wird auch diese Öffnung mit einem Deckel verschlossen, der unter einer Persenning verschwindet. Diese Persenning ist ja wie gesagt heute auch bei allen Zeesenbooten mit einer Bünn vorgeschrieben, wenn sie auf offener See fahren.

Der Mast steht auf einer Spiralfeder in einem Alurohr und kann leicht herausgezogen werden. Der Bugspriet ist mit einem Messingbügel gesichert, der mit einem einzigen Griff gelöst wird. Damit ist der Transport im Auto kein Problem. Ungewöhnlich ist die Fixierung der Gaffel am Mast durch ein Gleitschuhgelenk statt einer Gabel. Diesen Schuh habe ich aus Messingteilen gebogen und gelötet und die Gaffel daran befestigt.

Nach Fertigstellung und der Lackierung des Rumpfes kam dann die erste Schwimmprobe in der Badewanne, wobei die mögliche Zuladung festgestellt werden konnte. Es folgte das Gießen einer entsprechenden Bleibombe und die Herstellung des Kiels aus einer Kunststoffplatte. Die Segel hat mir wieder meine Frau genäht, der ich an dieser Stelle einmal herzlich danken will!


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../../button4.gif Erprobung -.-   

Nun ging es zu ersten Segelversuchen an den See. Es war zwar Februar, aber trotzdem relativ warm und sonnig. Der Wind wehte mit zwei bis drei Stärken, also ideal. Aber noch schöner war das Fahrverhalten des Bootes: Es segelte einwandfrei, auch in der Wende problemlos. Durch eine leichte Luvgierigkeit war nicht mal ein Backsetzen der Fock notwendig. Wie bei einem Plattbodenschiff nicht anders zu erwarten, drehte es auf dem Teller. Die Fahrgeschwindigkeit entsprach der enormen Masthöhe, und bei rauhem Wind ging so richtig die Post ab.

Spannend wurde dann die zweite Probefahrt: Es wehte mit Stärke fünf aus West, was auf unserem Gewässer immer kurze, harte Wellen verursacht. Mein Zollkreuzer ALERT (siehe SM 2/99) segelt dann immer mehr unter als über Wasser. Ich dachte an die Vier-Kilo-Bleibombe und entschloß mich, das Toppsegel stehen zu lassen, man muß schließlich auch mal etwas riskieren. Aber ich war angenehm überrascht. Zusätzlich zur Gewichtsstabilität scheint der Rumpf eine beträchtliche Formstabilität zu haben. GODEKE M. fuhr aufrechter, als ich erwartet hatte, und blieb gut steuerbar. Unheimlich wurde nach mehreren Kreuzschlägen die Rückfahrt vor dem Wind. Das Boot gierte stark und war nur durch große Ruderausschläge mühsam auf Kurs zu halten. Dadurch war dann auch gleich die Frage geklärt, ob ich das Ruderblatt nicht etwas kleiner und damit maßstabsgerechter hätte machen können. Als das Boot näher kam, konnte man dann sehen, daß es verdächtig tief im Wasser lag und bei jeder Bö tauchte der Bug noch mehr ein.

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Wassereinbruch?

Ich begann schon, die Entfernung zum Steg abzuschätzen: Schafft das Boot die Strecke noch, und wenn nicht, tauchen im Februar? Dann war plötzlich der ganz Spuk vorbei. Das Modell kam hoch wie ein auftauchendes U-Boot und segelte die letzten Meter zum Steg, als sei nichts gewesen.

Es war auch kein Wasser eingedrungen, Ursache der dramatisch wirkenden Situation war nur der achterliche Wind gewesen, der das Boot tief ins \Nasser gedrückt hatte und der bei Erreichen einer Baumreihe in Landnähe plötzlich nachgelassen hatte.

Mit geborgenem Toppsegel wurden die Fahreigenschaften dann wesentlich ziviler und ich denke, die kommende Saison wird zeigen, daß GODEKE M. ein schneller Segler ist, der auch harte Böen erträgt, ohne daß es kritisch wird.


Dr. Joachim Michels

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