Modellbau
Baupraxis |
mini-sail e.V. |
Schotwege nach Maß mit Klaus Prystaz´ Zauberbüchse
Bei meinem Modell des kanadischen Neufundlandschoners BLUENOSE wollte
ich mich nicht mit einer zwar sicheren, aber nicht vorbildgetreuen einfachen Schotführung
begnügen.
Im Original war die Großschot über einen doppelten und einen dreischeibigen Block geschoren.
Daraus resultierte für das Modell eine Schotlänge von 560 cm. Der verfügbare Raum im Rumpf war
jedoch auf ca. 100 cm begrenzt, und auch der Schotweg der eingesetzten Winde (Graupner Regatta)
von maximal 65 cm reichte nicht aus. Ohne Übersetzung war also eine originalgetreue Schotführung
nicht möglich. Nach verschiedenen Versuchen fand ich schließlich ein System, mit dem sich
Schotwege fast unabhängig von Modellgröße, Platzangebot, Segelwinsch und den auftretenden Kräften
betriebssicher und fast reibungslos in meterlange Schotwege übersetzen lassen.
An einem Winter-Workshop in Bern, wo ich die Einrichtung vorstellte, überzeugte
die damals noch namenlose Konstruktion meine Schweizer Minisail-Freunde sofort. Das Prinzip wurde
alsbald für verschiedene Modelle übernommen und nach kurzer Zeit auf den Namen Zauberbüchse
getauft. Inzwischen finde ich, daß der Name, der sich in Minisailkreisen eingebürgert hat,
eigentlich ganz gut paßt.
Wie bei einem guten Zaubertrick funktioniert nämlich alles sehr einfach: So wie man aus einer
Blume einen ganzen Blumenstrauß zaubert, steckt man in die Büchse ein kurzes Stück Seil und zieht
ein mehrfaches davon heraus und umgekehrt!
Prinzip und Berechnungen
Bevor wir den begrenzten Weg der Umlaufschot durch eine Übersetzung beliebig verlängern können,
sind aber einige Überlegungen und ein paar einfache Berechnungen nötig.
Als erstes stellt sich die Frage des Platzangebotes und damit der Plazierung im
Modell. Die Büchse sollte in direkter Flucht zwischen Umlaufschot und Decksdurchführung eingebaut
werden, um unnötige Reibung durch Umlenkungen zu vermeiden.
Für kleine Modelle bis 1 m Rumpflänge genügt ein Raum in der Größe von 50 mm x 50mm x 20 mm,
während für große Modelle der Platzbedarf bis ca. 150 mm x 150 mm x 40 mm betragen
kann.
Das Funktionsprinzip ist einfach.
Zwei unterschiedlich große Seilspulen sind auf der selben Achse fest miteinander verbundenen.
Wird das eine Seil von der ersten Spule durch Zug abgerollt, dreht sich die zweite Spulen mit und
wickelt gleichzeitig das andere Seil auf.
Dieser Vorgang funktioniert in beiden Richtungen. Der Unterschied der Spulendurchmesser bestimmt
dabei das Über- bzw. Untersetzungsverhältnis. Dieses Verhältnis soll nun als nächstes berechnet
werden. Zuerst wählen wir den Durchmesser der größeren Spule, welcher sich nach dem Platzangebot
im Modellrumpf richtet.
Für unsere Modellrechnung nehmen wir einen verfügbaren Raum von 100 mm x 100 mm x 25 mm für die Zauberbüchse an. Das heißt, daß die große Spule in der Büchse einen Durchmesser von ca. 80 mm haben kann, denn wir brauchen um diese herum ja noch ein Gehäuse.
Dazu berechnen wir mit der bekannten Formel U = d x ??? = 3.14) den Umfang der
Spule:
80 mm x 3,14 = 251,2 mm Umfang.
Für die im Modell originalgetreu geschorene Schot haben wir eine benötigte Länge von ca. 5000 mm
ermittelt.
Wir teilen nun die 5000 mm durch den Umfang der Spule von 251,2 mm und
errechnen so die Anzahl der Umdrehungen um diese 5000 mm aufzuwickeln:
5000 mm : 251,2 mm = 19,9 Umdrehungen.
Danach ermitteln wir den Schotweg, den unsere Segelwinde im Modell macht.
Für unsere Rechnung setzen wir dafür 600 mm an.
Diese 600 mm müssen jetzt ebenfalls mit 19,9 Umdrehungen auf einer kleineren Spule aufgewickelt
werden.
Deren Durchmesser berechnen wir wie folgt:
Die Schotlänge teilen wir durch die Umdrehungen und erhalten so den Umfang der kleinen Spule:
600 mm : 19,9 = 30,15 mm Umfang
Den Umfang teilen wir jetzt durch ? und erhalten so den Durchmesser der
kleineren Spule:
30,15 mm : 3,14 = 9,6 mm Durchmesser.
Diesen Wert korrigieren wir auf 10 mm, denn kleiner als 10 mm sollte diese Spule nicht werden, da sonst die Lager zu stark belastet werden.
Die Gegenrechnung mit diesem Wert ergibt dann folgende Schotlänge auf der
großen Spule:
10 mm x 3,14 = 31,4 mm Umfang
600mm : 31,4 = 19,1 Umdrehungen
19,1 x 251,3 mm = 4801,9 mm Schotlänge.
Sollte uns die resultierende Schotlänge von ca. 4800 mm nicht reichen, dann können wir die größere Spule neu berechnen.
Wir teilen die Mindestschotlänge von 5000 mm durch die neu berechnete Anzahl
Umdrehungen und erhalten somit den neuen Umfang der größeren Spule:
5000 mm : 19,1 = 261,78 mm Umfang.
Den Umfang teilen wir durch ?? und erhalten so den passenden neuen Durchmesser für die große
Spule:
261,78 mm : 3,14 = 83,36 mm Durchmesser.
Ein Spulendurchmesser von aufgerundet 84 mm wäre bei unseren angenommenen Platzverhältnissen noch möglich und so kommen wir nun zum Bau der Einzelteile.
Konstruktion 1
Doppelte Seilspule
Die Doppelspule sollte stabil gebaut aber dennoch möglichst leicht sein, damit sie sich durch die
eigene Schwungmasse nicht weiter dreht, auch wenn durch die Schoten keine Kraft mehr auf sie
wirkt.
Man kann sie aus Aluminium drehen oder aus Alueinzelteilen aufbauen und mit Zweikomponentenkleber
verkleben, wie ich es gemacht habe. Rundlaufabweichungen sollten möglichst unter 0,1 mm liegen,
und die Spule sollte auch keine wesentliche Unwucht aufweisen.
Die Achse besteht aus Silberstahl und sollte möglichst wenig Achsspiel besitzen. Dazu mehr bei der nächsten
Baugruppe 2
Gehäuse mit Deckel Es besteht aus 2 mm starken Plexiglasplatten, so daß man bei einer Fehlersuche
diesem leichter auf die Spur kommt.
Ich baue das Gehäuse immer sechseckig.
Das ergibt außen gute Möglichkeiten die Zauberbüchse im Modell zu befestigen und innen in den
Ecken habe ich Platz für die Distanzbuchsen mit denen der Deckel verschraubt wird.
Die Bohrungen im Gehäuseboden und im Deckel werden zusammen in einem
Arbeitsgang gebohrt. Als Lager für die Achse genügen Messingbuchsen, besser sind Bronzebuchsen
wobei der Achsdurchmesser je nach Modellgröße zwischen 1,5 mm und 2,5 mm liegen sollte.
Bei Kugellager kann der Achsdurchmesser auch größer gewählt werden.
Drei paßgenaue Einsätze oder Zwischenwände in Höhe der Spulenseitenwände
verhindern, daß sich die zwei Seile verheddern oder von den Spulen gleiten.
Der Spalt zwischen den beiden Bauteilen sollte möglichst klein sein.
Auf den Deckel werden zwei Plexiglasstücke so aufgeklebt, daß sie an zwei gegenüberliegenden Gehäuseseitenwände etwas überstehen. Sie dienen zum leichteren Demontieren des Deckels, der exakt in die Gehäuseseitenwände passen sollte, um so die auftretenden Kräfte auf das Gehäuse übertragen zu können.
Durch zwei Bohrungen in den Seitenwänden werden die Röhrchen für die Schotführungen eingeklebt, so daß die Schoten direkt an die Spulen geführt werden.
Das System kann sowohl waagrecht wie auch senkrecht eingebaut werden. Es empfiehlt sich, die Anlage vor dem Einbau in das Modell gründlich zu testen. Dabei muß sich die Spule auch unter Belastung im Gehäuse leicht drehen und darf weder am Gehäuse, den Zwischenwänden noch am Deckel streifen.
Die Reibung im Achsenlager wird durch einen Tropfen Öl noch minimiert.
Für eine optimale Funktion des ganzen Schotzugs sind die modifizierte Umlaufschot und sehr leicht
laufende Scheiben in den Blöcken, wie sie anderweitig beschrieben werden, unabdingbar.