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fib-02-13.htm
07.2008 |
fib-02-13.htm; 07.2008
erschienen in MODELLWERFT 10/2007
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Die Besegelung eines Standmodells
von Günter Bossong
In einem vorherigen Artikel wurde beschrieben, wie man ein Segel herstellt. Dabei hängt die
Art der Fertigung sehr stark vom Maßstab ab. Je größer der Maßstab, desto näher rücken Form und
Fertigung an das Vorbild heran. Der wesentliche Faktor jedoch, der die Fertigung bestimmt, ist
die Frage, ob das Modell nur so tut, als bliese ihm der Wind in die Segel, oder ob es wirklich
nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt ist, sondern da auch noch zu funktionieren hat. Hier sind
wir Standmodellsegler in der glücklichen Lage, daß alles nur scheinbar funktionsfähig sein
muß.
Ehe wir jetzt in die Praxis einsteigen, sind einige Voraussetzungen zu bedenken bzw. zu
schaffen. Zuerst stellt sich die Frage nach dem Arrangement der Segel. Das Einfachste ist, man
setzt sie alle. Das geht in etwa aus dem Segelplan hervor. Jede der vielen Spielarten der
teilweise eingeholten oder gerefften Segel setzt eine genaue Kenntnis dessen voraus, was wie bei
welcher Gelegenheit gezogen wird. Daneben ergibt sich immer eine Schwierigkeit, die sich aus den
relativ ungleichen Tuchstärken bei Vorbild und Modell ergibt: Ein eventuell entstehendes
Segelpaket wird unverhältnismäßig stark. Die manchmal praktizierte Methode, einen Teil des Segels
abzuschneiden, wäre mir unsympathisch.
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Voraussetzungen |
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- Betrachten wir nun einmal die Voraussetzungen:
- Für die Darstellung der Segel gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste geht von einer absoluten
Flaute aus, so daß alles einschließlich der Fahnen schlaff herunterhängt. Die andere ist die
Illusion einer leichten Brise. Die Entscheidung hierüber können wir uns bis zum Schluß aufheben.
Die beigestellte bzw. selbst angefertigte Belegungsplan muß sklavisch eingehalten werden. Wenn
die Verbindung von der Belegstelle zum Angriffspunkt nicht klar erkennbar ist, wird eine
Korrektur zum Alptraum.
Vor dem Anbinden der Segel an die Rah müssen alle Elemente wie Blöcke, Zugseile, Hanger der
Fußpferde usw. aufgeschoben oder fixiert sein, weil nach dem Anbinden des Segels keine
Verschiebemöglichkeit mehr besteht.
Beim Vorbild wird das Segel an der bereits am Mast angeschlagenen Rah angebunden. Das ist auch
logisch, denn die Segel müssen sich abnehmen lassen, ohne eines der Befestigungselemente an der
Rah zu beeinträchtigen. Beim Modell besteht auch die Möglichkeit, das Segel außerhalb des Modells
anzubinden. Das ist natürlich eine Erleichterung dieses Vorgangs, jedoch beeinträchtigt dies das
Anpassen einer Schablone zur Segelherstellung.
- Alle Pinzetten haben eine gemeinsame Unart: Wenn man sie mit geöffneten Schnäbeln auf den
Einsatzort zuführt, greifen sie sich unterwegs irgend etwas. Also immer erst an Ort und Stelle
öffnen!
- Bei einer Beseglung ist eine einfache Drehaufnahme unverzichtbar (Abb. 1). Eine Holzplatte
wird im Kiel verschraubt und auf einer größeren Platte drehbar festgelegt. Die verschraubte
Platte kann auch zu einer Transportbefestigung erweitert werden. Der Einsatz einer
höhenverstellbaren Einrichtung hängt von den vorhandenen Räumlichkeiten ab. Der Autor benutzt
hierzu ein paar höhenunterschiedliche Wohnzimmereinrichtungen.
- Neben Weißleim (Ponal) ist Sekundenkleber der einzige Hilfsstoff bei der Besegelung. Bewährt
hat sich Sekundenklebergel von UHU (die jetzt aufgezählten Eigenschaften treffen vielleicht auch
auf andere Produkte zu). Das Gel härtet, wenn es nicht unter Druck gesetzt wird, an der Luft
nicht sofort ab. Es läßt sich mit einem Zahnstocher an kleinste Bereiche plazieren. Wenn man
vorsichtig eine geringe Menge herausdrückt und etwas entnimmt, zieht sich der Rest wieder in die
Tube zurück. Falls mal etwas übertritt, läßt sich die Tube wieder einwandfrei säubern. Wenn sich
der Klebstoff wieder zurückgezogen hat, tritt er selbst nach einem Tag mit unverschlossener Tube
bei normalem Druck wieder aus. Doch obwohl die Klebstoffmengen pro Einsatz sehr gering sind,
sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, die zur Verfügung stehende Leimmenge von der Größe
der Tube abzuleiten. Drückt man die Luft heraus, ist die Tube auch schon halb leer.
- Der letzte, aber keinesfalls unwichtigste Punkt der Voraussetzungen ist die Schaffung von
aussagefähigen Takelnummern, im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Belegplan. Es genügt nicht
zu wissen, an welcher Stelle der jeweilige Seilzug belegt wird, sondern man muß auch wissen, zu
weichem Segel er führt und was er da tut. Aus einer bloßen Nummer Anlaufpunkte und Aufgabe eines
Seilzugs herauszulesen, ist nicht nur eine wertvolle Arbeitshilfe, es vermittelt dem Wissenden
auch eine Art Befriedigung (siehe die Tabelle in Abb. 2).
Abb. 1:
Die Drehaufnahme
Sind alle Voraussetzungen geschaffen, ist hier gleich einer der häufigsten Vorgänge beim
Besegeln zu nennen: das Belegen der Seile mit anschließendem Aufschießen des überschüssigen
Seilendes. In dem Artikel in der MODELLWERFT 8/02 "Nie wieder Ärger beim Takeln" sind
verschiedene Vorgänge des Belegens und des Aufschießens des überschüssigen Seils am jeweiligen
Ort beschrieben. Dieses Aufschießen des Originalseils ist bei einem Fischkutter mit zehn
Belegstellen durchaus zu vertreten. Sollte die Zahl aber, wie es bei meiner "Caroline" der Fall
ist, über 200 gehen, ist doch ein weniger aufwendiges Verfahren zu empfehlen. An der im vorher
genannten Artikel beschriebenen Takelpinzette hat ebenfalls der Zahn der Zeit geknabbert. Hier
hat die Erfahrung gelehrt, daß die Einrichtung, die verhindern soll, daß der Faden beim freien
Durchlauf entwischt, zu Komplikationen führt und durch etwas Feingefühl zu ersetzen ist. Bei der
damals beschriebenen Pinzette handelt es sich um eine 15-cm-"Pinzette mit Schloß" der Firma
Hogetu, Heimweg 6, 78555 Gosheim, die jetzt nach Zeichnung (Abb. 3) modifiziert ist.
Abb. 3:
Die Takelpinzette - eine modifizierte "Pinzette mit
Schloß"
Sie hat nur noch drei Funktionen:
- den Faden greifen und festhalten,
- die Spannung etwas lösen und den Faden weiterführen,
- durch leichten Druck den Faden arretieren (in dieser Stellung ist es möglich, die Pinzette
abzulegen oder in einer Hand zu drehen, ohne die Spannung wegzunehmen).
Das in einem der Schnäbel eingelötete Stiftchen tritt beim Zusammendrücken in die Bohrung des
anderen Schnabels und bildet so einen Käfig, der das Seil ganz nahe an den Einsatzort bringt. Ein
Faden um die Schenkel herum ist eine unkomplizierte Möglichkeit, ein unnötig weites Öffnen der
Schnäbel zu verhindern. Ausgerüstet mit dieser Pinzette und einer anderen, ganz normalen Pinzette
mit Klemmmöglichkeit wird die Belegung einer aussichtslos unzugänglichen Belegstelle zu einem,
wenn auch etwas choreografisch wirkenden, doch wiederholbaren Vorgang. (Die hier gewählte
Belegstelle ist ohne viel Spielraum einmal waagerecht und einmal von oben zu erreichen.)
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Abb. 4: Das Belegen an schlecht zugänglichen Stellen |
Abb. 5: Die Aufschießattrappe |
Abb. 6: Der Wickelkonus |
Abb. 7: Die nachträglich vorgenommene Blockbefestigung |
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Fertigungsschritte |
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- Bei waagerechter Annäherung an die Belegstelle lassen sich nach Ergreifen des Fadens die
beiden ersten Schlingen um den Nagel ausführen. Dann wird die Pinzette geklemmt und auf leichte
Spannung gezogen abgelegt (Abb. 4, Op. 1-5). Das Nachlassen des Fadens während der Belegung ist
Gefühlssache. Wenn man allerdings etwas zu viel nachgelassen hat, muß die zweite Pinzette ins
Spiel gebracht werden. Die hält dann den Faden, um die Takelpinzette wieder näher an die
Belegstelle zu bringen.
- Jetzt kommt der normale Einsatz der zweiten Pinzette. Die wird neben der Takelpinzette zum
Tatort geführt und greift und hält den Faden an Ort und Stelle fest.
- Die Takelpinzette wird entnommen und dann von oben an die Belegstelle herangeführt. Der Faden
wird so gegriffen, daß die Pinzettenspitze ca. 2 mm über dem Belegnagel steht.
- Während die zweite Pinzette den Faden nach unten zieht, wird die Takelpinzette um 180 Grad
gedreht. Diese Drehung ist die einzige saubere Möglichkeit, das Fadenende unter die letzte
Windung zu kriegen. Sie ist jedoch mit der Hand, die einem dafür zur Verfügung steht, nur
möglich, wenn die Pinzette geschlossen ist.
- Die letzte Operation ist eine echte Teamarbeit der beiden Pinzetten. Während die
Takelpinzette die Schlaufe auf dem Weg nach unten über den Nagel legt, zieht die andere den Faden
in der gleichen Richtung fest. Bei mehrmaliger Anwendung des hier detaillierten Verfahrens hat
sich herausgestellt, daß das ehemalige Versprechen "Nie wieder Ärger beim Takeln- gar nicht so
falsch war. Beim Belegen einer Klampe ist der Ablauf der gleiche, nur liegt die Arbeitsrichtung
in der Horizontalen. Hier handelt es sich um die schwierigsten Fälle der Belegung. Bei weniger
"Seilgestrüpp" und auch sonst besserer Zugänglichkeit ist es meist möglich, die Schwenkung der
Pinzette, die für das Werfen der Schlaufe notwendig ist, ohne das Umgreifen mit der zweiten
Pinzette vorzunehmen. (Übrigens, diese Takelpinzette war eine große Hilfe beim Knoten der
Reffbendsel.)
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Aufschießen außerhalb des Modells |
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Die eigentliche Vereinfachung bei einer größeren Zahl von Belegstellen liegt nicht bei der
Belegung selbst, sondern beim Aufschießen, das eingangs mit dem überschüssigen Seil vorgenommen
wurde. Das wird ganz einfach kurz abgeschnitten und das außerhalb des Modells aufgeschossene Seil
als Attrappe darüber gelegt. Doch stopp! Ehe wir jetzt wirklich zur Schere greifen, noch ein ganz
wichtiger Hinweis: Ganz zum Schluß stellt man fest, daß die Stellung des Rahen oder die Form der
Segel eine Korrektur an der Belegstelle notwendig machen. Falls das Seil dann nachgelassen werden
muß, steht man dumm da. Also, abschneiden und aufschießen erst, wenn die einzelnen
Funktionsbereiche komplett belegt sind und richtig stehen. Diese Forderung muß genau durchdacht
werden, denn sie bedeutet, daß die gesamte Aufschießung in vollem "Gestrüpp" auszuführen ist. Das
wiederum spricht ebenfalls für das Aufschießen außerhalb des Modells.
Übrigens, selbst wenn die Rahen genau ausgerichtet sind, können sie sich beim Takeln der Segel
wieder etwas verstellen. Wenn jetzt folgende Details etwas abweichen von einem vorher
beschriebenen Verfahren, darf ich mich noch mal hinter der Kant'schen Formel, daß die Erfahrung
der Ursprung aller Wissenschaft ist, verbergen.
Der Ablauf (Abb. 5):
- Das 10- 15 cm lange Seil in verdünntes Ponal eintauchen und auf die Attrappe wickeln.
- Nach ca. zwei Minuten wird etwas Sekundenklebergel an die bezeichnete Stelle gegeben. (Das
Gel bindet trotz Feuchtigkeit ab.)
- Nach weiteren fünf Minuten Trockenzeit werden die beiden Hilfsdörnchen unter leichter
Drehbewegung entnommen und die Windungen mit einem Messer vorsichtig abgehoben.
- Die beiden Enden abschneiden und so mit Sekundenkleber festkleben, daß sie von vorne nicht zu
sehen sind.
- Nachdem in den Nagelanlagebereich eine Spur Sekundenkleber eingebracht ist, wird das Seil
über den Nagel gestülpt, nach unten gezogen und noch etwas zurechtgezupft.
Von den drei Seilenden, die mittlerweile zusammengekommen sind, darf logischerweise höchstens
eines sichtbar sein.
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Seilrolle und Block |
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Eine andere Art der Seillagerung ist die einer einfachen Seilrolle. Auch hier hat sich der
früher dargestellte Ablauf leicht geändert (Abb. 6):
- Das mit verdünntem Ponal angefeuchtete Seil wird wie dargestellt um den Konus gewickelt,
wobei die erste und die letzte Windung in sich mit Gel zusammengeklebt werden.
- Damit die Rolle nicht bei der ersten Entstaubung durch die Gegend fliegt, wird sie mit etwas
Gel über dem abgeschnittenen Faden auf Deck festgeklebt. Anschließend noch einige Fälle, bei
denen Sekundenklebergel gute Dienste leistet: Wenn ein Block mit geschlossenem Stropp, der
normalerweise auf eine Stange aufgeschoben ist, beschädigt wird oder fehlt, muß eine Methode her,
die einen geschlossenen Stropp vortäuscht.
Der Ablauf (Abb. 7):
- Den Block auf die bekannte Weise mit Schnur umwickeln und einbinden. Die Enden länger
lassen.
- Beide Enden mit Gel tränken und eines auf halbem Umfang der Stenge abschneiden.
- Die Innenseite eines Schenkels mit Gel betupfen und andrücken.
- Den zweiten Schenkel im Verbindungsbereich tränken, anpassen und abschneiden.
- Ihn mit Sekundenklebergel betupfen und andrücken.
Weiterhin läßt sich mit Gel ein Seil versteifen, entweder zum Einfädeln in einen Block oder
der Optik wegen. Wenn mal ein Seil irgendwo unauffällig angeheftet werden muß oder eine ganz
winzige Schlaufe herzustellen ist, ist der Trick die äußerst sparsame Anwendung des Klebers: Nur
eine Spur auf die zu verbindende Stelle, und das Seil bleibt nicht am Finger oder an der Pinzette
kleben.
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Die Segel blähen |
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Die Entscheidung ist gefallen, die "Caroline" wird einer leichten Brise ausgesetzt. Das ist
wörtlich zu nehmen. Die Brise strömt aus einem zweckentfremdeten Staubsauger, der nicht zum
Staubsaugen, sondern zum Staubblasen gedacht war. Man brauchte also nur die Segel mit Sprühstärke
anzufeuchten und hineinzublasen. Ich war so richtig stolz auf meine "Erfindung". In einem
Gespräch mit einem echten Seemann erfuhr ich dann allerdings, daß das schon andere lange vor mir
mit mehr oder weniger großem Erfolg praktiziert haben. Jedenfalls hatte ich schon damit
angefangen und war nicht mehr zu bremsen.
- Als Erstes habe ich mal einfach so hineingeblasen. Ich wollte eigentlich nur mal sehen, wie
das so aussieht. Warum aber dieses "erst mal so gucken" sich als wichtiger Arbeitsgang erwiesen
hat, zeigte sich, als sich das Segel verformte. Immer war irgendein Zugseil zu eng belegt. Jetzt
wird klar, warum man bis zu diesem Versuch warten muß, ehe man das Seil abschneidet und das
aufgeschossene Seil darüberlegt. Bei der Blaswiederholung nach der Korrektur sah das Segel
prächtig aus.
- Der Sprühvorgang mit jeweils anschließender Blasaktion erfolgt an jedem Segel einzeln.
Gesprüht wird von vorn, weil so am wenigsten fremde Teile berührt werden. Das Sprühen dauert nur
wenige Sekunden. Das Segel darf keinesfalls so naß werden, daß es tropft.
- Die Windmaschine wird so positioniert, daß das jeweilige Segel eine gute Form hat. Weil es 15
bis 20 Minuten dauert, ehe das Tuch so weit getrocknet ist, daß es in der geblähten Form
verharrt, ist es ratsam, die Windmaschine festzulegen.
- Wenn der Trockenvorgang abgeschlossen ist, hat leider die Glätte wie sie beim Trockenblasen
zu sehen war - etwas gelitten. Der Grund hierfür sind hauptsächlich die Spannungen, die durch die
Nähte zur Markierung der Kleider auftreten. Dem ist entgegenzuwirken, indem man die Nähte durch
eine grafische Markierung ersetzt. Aber das hängt natürlich sehr stark vom Maßstab ab.
- In unserem Fall läßt sich dieser Verlust an Glätte "ausbügeln", indem man das wörtlich nimmt:
Ein Kissen, bestehend aus einem Holzblock von ca. 60 x 60 mm mit einer gerundeten Seite und mit
Filz belegt, ein Pinsel, ein kleines Bügeleisen und etwas Wasser sind die Werkzeuge. Die zu
verbessernden Bereiche werden ganz leicht angefeuchtet und mit untergelegtem Kissen überbügelt.
Es ist zwar nicht ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber ich hab' mir
eingeredet, daß es immer noch besser aussieht als ein Modell, das in einer Flaute zu stehen
scheint.
Falls der Profi erkennt, daß die Aufnahmen stark geschmeichelt sind:
Der Fotograf ist meine Freundin.
Günter Bossong