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03.2004

erschienen in MODELLWERFT 10/95

Schlagen von Tauen


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Bild 91: Seilschlageinrichtung (Ropewalk) mit Kurbelantrieb Bild 92: Seilschlageinrichtung (Ropewalk) mit Zahnradtrieb

Nach so viel harter Holz- und Blecharbeit wird es Zeit, sich mal einem etwas sanfteren Stoff zu widmen. Spinnen wir mal ein bißchen Seemannsgarn. Während für unseren Bereich das Wort Garn wirklich zutrifft, spricht man natürlich beim Original von Tauen. Ein gutes Material zur Tauherstellung ist Hanf mit dem lateinischen Namen "cannabis sativa". Für manche Zwecke wäre auch heute noch ein Hanfseil einer modernen Faser vorzuziehen. Jedoch ist der Anbau fast überall verboten, weil ein Nebenprodukt von vielen bösen Buben geraucht wird. Der Grund für die eigene Herstellung von Takelgarnen ist die meist schlechte Qualität des im Handel erhältlichen Materials, wobei man auch bei eigener Herstellung oft lange suchen muß, bis man ein flusenfreies Nähgarn als Ausgangsmaterial gefunden hat.

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Bild 93: Auslegung des Seiles bei Doppelfaden Bild 94: Festhaken mit kleinem Abstandhalter

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Eine Verbesserung besteht darin den Festhaken in den Abstandshalter zu schrauben und den danach in eine feststehende Öse einhängen.

Die Herstellung der Originaltaue geschah auf einer eigens hierfür angelegten Bahn, der Reeperbahn. Ein genaues, verkleinertes Abbild einer solchen Einrichtung wäre möglich, und einige Modellbauer haben sogar so ein "Wunderding". Aber für unsere geringe Anwendung sollten wir uns etwas bescheiden. Ein Vorbild für diese bescheidenere Form kommt aus alten englischen Bootswerften (siehe Bilder 91 und 92). Bei Bild 91 wird die einfache Form mit Kurbelantrieb und bei 92 die effektivere Form mit Planetengetriebe gezeigt. Während auf der bei uns bekannten Reeperbahn eine vom Einsatzmaterial abhängig fast endlose Tauherstellung möglich ist, kann auf diesen "Ropewalks", bestehend aus Jack" und "Traveller", nur eine vorher ausgelegte Länge geschlagen werden. Jeder der drei oder vier "Strands" wird durch ein Planetengetriebe bis kurz vor den Zerreißpunkt aufgedreht, während der Abstandshalter ("Top") auf der Wagenseite gehalten wird. Wenn man jetzt diesen Abstandshalter auf die Drehvorrichtung zubewegt, drehen sich die Einzeltaue zu einem dickeren zusammen. Dieses Prinzip machen wir uns zunutze. Da es sich jedoch für unseren Fall nicht um eine exakte Nachbildung dieser Anlage zu handeln braucht, sparen wir uns den beim Original notwendigen verschiebbaren Wagen. Die Funktion des am Wagen angeordneten drehbaren Hakens wird sich, wie aus der weiteren Beschreibung hervorgeht, "im Freien" abspielen. Zu diesem Zweck benötigen wir das Kurbelteil mit Planetengetriebe (ähnlich Bild 92), eine Einhakmöglichkeit und einen Abstandhalter.

Dann läuft die ganze "Seilerei" folgendermaßen ab: Zuerst werden die drei Fäden abgelängt (etwa 1,5 x gewünschte Länge). Nachdem an jedes Seil eine Schlaufe geknotet und diese in die Haken der Winde eingehängt sind, werden die anderen Enden in einem Knoten zusammengefaßt. Das geschieht am besten, indem man die Räderplatte nach unten hängen läßt und darauf achtet, daß die Platte während des Knotens waagerecht liegt. Je nach Stärke des gewünschten Seiles, kann der Faden auch doppelt genommen werden. Dann ist die Vorbereitung gleich dem Originalvorgang: Fadenlänge gleich sechsmal 1,5fache gewünschte Länge. Nachdem dieser Faden an einer Stelle zu einem großen Ring zusammengeknotet ist, werden die Haken belegt. Beginnend mit der geknoteten Stelle am festen Haken zum ersten Haken der Winde, dann zurück zum Festhaken, weiter zum zweiten Haken, zurück und zum dritten... (siehe Bild 93). Die Länge des fertigen Seiles sollte nicht über 80 cm liegen, aber damit dürfte man fast in allen Fällen auskommen. Bei dem jetzt anschließenden Winden der Seilstränge ist sowohl beim Einzel- als beim Doppelstrang die Drehrichtung zu beachten. Es muß in der vorhandenen Windungsrichtung weitergedreht werden. Das kann entsprechend dem Garn im oder gegen den Uhrzeigersinn sein. Als letzte Vorbereitung wird noch der Abstandshalter (ca. 10 mm Durchmesser) auf der zusammengefaßten Seite eingesetzt, bei gleichzeitigem Einhängen in den Festhaken (Bild 94). (Wenn der Grundfaden aus einem Ring besteht, wie vorher beschrieben, ist die Festseite bereits eingehängt.) Jetzt werden die Seile strammgezogen, und dann wird georgelt und georgelt und gezählt und gezählt, bis es knallt. Das jetzt fällige Wort, das für solche Gelegenheiten jeder parat hat, paßt jedoch in diesem Falle nicht. Ganz im Gegenteil, wenn man jetzt nämlich ca. 1/5 von den gezählten Umdrehungen abzieht, ist das die Umdrehungszahl, die die Fäden aushalten. Nach einiger Erfahrung bei dieser "Orgelei" schafft man es auch ohne Knall, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Während dieses Wickelvorganges ist es wichtig, die Fäden so stramm zu halten, daß sie sich nicht berühren. Wenn das nämlich passiert, sind die Fäden meist nicht mehr zu entwirren. Wenn die gewünschte Umdrehungszahl erreicht ist, wird die eingehängte Schlaufe ausgehängt, während die andere Hand die Seile auf Spannung hält. Nachdem das Ganze in die senkrechte Lage gebracht worden ist, und zwar mit der Winde nach unten, braucht man diese nur noch loszulassen. Was jetzt folgt, ist 'ne kleine Sensation, die eigentlich mit einem Trommelwirbel begleitet werden müßte. Man kann in aller Ruhe zusehen, wie die Vorrichtung anfängt, sich wie wild um die eigene Achse zu drehen, während sich das Seil in saubere Windungen zusammenlegt. Das alles passiert aber nur, wenn, wie schon erwähnt, die "Orgel" richtigherum gedreht wurde. Und nun, da die Funktion dieser abgewandelten Miniaturreeperbahn bekannt ist, geht's an die Herstellung.

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Bild 95: Mini-Reeperbahn-Getriebe Bild 96: Das Modul

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Das Kernstück besteht aus einem Holzklotz mit Messingplatte, einem großen Zahnrad mit drei Planeten, vier Wellen, einer Kurbel und etwas Kleinkram (siehe Bild 95). Hinter der scheinbaren Oberdimensionierung des Grundkörpers steckt eine Begründung: Er dient neben seiner Funktion als Getriebeträger als Gegengewicht während des automatischen Zusammenlaufens. Als Wellen dienen Messingstäbchen von 2 mm Durchmesser. Die Mittelwelle hat 3 mm. Alle Verbindungsstellen sind geklebt oder gelötet. Die Platte kann als Bohrvorrichtung für den Holzblock verwandt werden. Die Zahnräder stammen aus dem Mini-car-Bereich. In diesem Fall haben das Mittelrad 50 Zähne, die drei Planetenritzel je 10. Daraus ergibt sich ein Übersetzungsverhältnis von 1:5. Das Modul beträgt 0,5. Wenn man den Zahnradspezialisten Glauben schenkt, braucht man nur die Zähnezahl mit dem Modul zu multiplizieren und kennt damit den Teilkreisdurchmesser. Weiß man jetzt noch, daß die Teilkreise der ineinanderlaufenden Räder sich berühren, liegt der Achsabstand fest. Bis auf das Modul sind alle Strecken erkennbar. Es wird allgemein als Rechnungsgröße angegeben. Damit nicht nur die großen Esoteriker wissen, was es genau ist, und wo es sich versteckt, wird mit der etwas unkonventionellen Darstellung auf Bild 96 versucht, etwas Licht in diese Angelegenheit zu bringen: Einmal ist das Modul das anteilige Durchmesserstück, was auf die Teilungsstrecke entfällt, zum anderen ist es der Durchmesser eines aus der Teilungsstrecke gebogenen Kreises. Damit haben alle zusammenwirkenden Zahnräder, ob groß oder klein, eine gleiche Kennzahl.


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Wer keine Zahnräder hat und gewillt ist, fünfmal soviel zu orgeln wie der Besitzer der unter Version 1 gezeigten Einrichtung, baut sich einen Kurbelantrieb, wie auf Bild 91 dargestellt. Wie auch bei 1, steht entgegen dem Original der Einzelhaken fest. Der Ablauf ist grundsätzlich der gleiche.

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Bild 97: Seilschlagen, Urform Bild 98: "Großer" Abstandhalter

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Diese Möglichkeit ist gedacht, falls mal nur ein kleineres Stück Seil in einer bestimmten Stärke fehlt und sich die Herstellung der vorgeschlagenen Einrichtung nicht lohnt oder vielleicht - wie es beim Ankertau der Fall sein kann - die vorhandene zu schwach ist. Wie aus Bild 97 hervorgeht, handelt es sich hier um ein einfaches Brett, welches auf der einen Seite einen Bolzen und auf der anderen drei oder vier Kerben hat. Das Brett muß allerdings so lang sein, wie das zu schlagende Seil. Der Vorgang ist wie gehabt, nur daß diesmal die Einzelstränge zwischen Daumen und Zeigefinger gezwirbelt und dann jeweils in einem der Kerben festgeklemmt werden. Wenn die drei Seile etwa gleichmäßig aufgedreht sind, werden sie zusammengefaßt und ausgehängt. Wie auch bei den vorher beschriebenen Geräten wird unter Strammhalten das Brett nach unten und die Hand nach oben gebracht. Dann Brett loslassen und zugucken. Wenn sich nach einigen Versuchen kein sauber zusammengeschlagenes Seil ergibt, liegt das daran, daß sich die beide Seilenden von Beginn an berühren. Dem ist abzuhelfen, indem man die Einzelstränge beim Aushängen aus den Brettkerben in drei Kerben einer 30- bis 40-mm-Holzscheibe einklemmt und somit die Stränge voneinander trennt (Bild 98). Diese Holzscheibe übernimmt die Abstandsfunktion, die sich bei der "Orgel" zwangsläufig aus der Lage der drei Wellen ergibt. Übrigens, der kleine Abstandshalter, der bei Version 1 und 11 an der Festhaken-Seite eingesetzt wird, bewegt sich nicht wie beim Original auf die Drehvorrichtung zu, sondern bleibt auf der Stelle stehen und wird da "eingewickelt".


Günter Bossong
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