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fib-01-11.htm
03.2004 |
erschienen in MODELLWERFT 1/95
Das Ruder
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Vorwort |
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Bild 66: Ruderanlage.
Nachdem jetzt die Voraussetzungen zum Ausrichten und Setzen der Masten geschaffen sind, wenden
wir uns einem anderen wichtigen Element zu. Einem Element, dessen möglicher Verlust der Alptraum
eines jeden Kapitäns ist: dem Ruder. Selbst im alltäglichen Sprachgebrauch ist der Ausdruck
"ruderlos" als Bezeichnung äußerster Aussichtslosigkeit eingegangen. Tatsächlich ist das Ruder
das einzige Funktionsteil eines Schiffes das schon in der Frühzeit der Schiffahrt mit einer Art
Notaggregat ausgerüstet war; nämlich der Sorgleine. Wenn auch nur in wenigen Fällen ein vom Sturm
aus den Aufhängungen (Ruderschere und Fingerling) geschlagenes Ruder von diesen Tauen noch
gehalten werden konnte, wurden doch oft bei gebrochener Pinne oder zerstörtem Ruderkopf diese
Leinen zum Steuern eingesetzt. Selbst am Modell nimmt das Ruder eine Sonderstellung ein: Es ist
eines der wenigen Elemente, die sich bei sonst funktionsunfähigen Standmodellen noch bewegen
lassen.
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Baubeschreibung |
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Also legen wir uns hier mal ganz besonders in's Zeug. Der Weg, der zu einer auf Bild 66
abgelichteten Ruderanlage führt, ist in der Folge aufgezeigt:
- Anreißen von Ruderbaum bzw. Ruderblatt auf entsprechend dicken und breiten Holzleisten.
- Das Sägen erledigt die Kreissäge, jedoch nicht ohne eine geringe Vorbereitung: Durch
provisorisches Aufleimen eines Hilfsstückes X', dessen Breite sich aus a-b ergibt, erreichen wir
die gewollte Schräge (siehe Bild 67). Der Einschnitt zur Aufnahme des Blattes kann in der
gleichen Einstellung bis kurz vor den Bereich "c" mit vorgenommen werden. Der Rest ist
Handarbeit.
- Nachdem Baum und Blatt zusammengepaßt und verklebt sind, geht's an die Herstellung der
Ausnehmungen für die Aufhängung. Den geraden Bereich übernimmt wieder die Kreissäge mit dem
Querschlitten. Für den gerundeten Bereich lohnt sich die Anfertigung eines Form-Schmirgelholzes
(siehe Bild 68).
- Die partiellen Rillen zur Aufnahme der Fingerlinge gelingen meist nicht zur Zufriedenheit
aller, weder bezüglich der Lage noch der Flucht. Also sind wir mal etwas großzügig. Das heißt für
diesen Fall, wir bleiben gleich im Keller und führen die Rille über die gesamte Länge der
Aufhängungen (siehe Bild 68). Die Verwendung eines Probestückes ist auch hier kein Fehler. Wenn
das hierbei zu verwendende Metall-Kreissägeblatt mit seiner Dicke unter der Schnittbreite liegt,
erreicht man auch hier die Rillenbreite durch zweimaliges Vorbeiführen (Bearbeitung auf Umschlag,
wie vorgeschlagen, beim Schlitzen des Spantenpaketes). Die nach dem Einsetzen der Fingerlinge
offen bleibenden Rillenpartien mit entsprechenden Leistchen zu schließen, ist eine
Ermessensfrage. Zu sehen sind sie jedenfalls nach Montage nicht mehr.
- Die Verjüngung nach achtern läßt sich entweder mit Stecheisen und Schmirgelholz erreichen
oder auf die bei der Rüstbrettfertigung beschriebene Art auf der Kreissäge.
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Bild 67: Sägen des Ruderblattes. |
Bild 68: Einbringen der Fingerlingsanschnitte und Rillen. |
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Ruder-Befestigungselemente |
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Für den nächsten Schritt verlassen wir kurz die staubige Ecke des Schiffszimmermannes und
wechseln in einen Bereich über, der ehemals vom Schiffsschmied beherrscht wurde. Moderne
Maschinen und Techniken haben den Schmied der alten Schule fast arbeitslos gemacht. Teile, die
früher unter seinen geschickten Händen entstanden, werden heute meist kalt gezogen, gebogen oder
verformt. Wofür bei Originalteilen Kraftpakete von Maschinen dienen, genügen im Modellbau
Pinzette, Fingernägel und Zange. Und das ist auch schon ein Teil der Werkzeuge, die wir zur
Fertigung der Ruder-Befestigungselemente brauchen. Da wären die Ruderscheren, die Fingerlinge mit
Federn und die Befestigungsbolzen.
Für Federn und Scheren benötigt man Kupferblech mit einer Dicke von 0,3. Hieraus entstehen
Streifen mit einer Breite, die beim Maßstab 1:50 um 2,5 mm liegt. Entsprechend den Positionen am
Schiffskörper bzw. am Ruder ergeben sich die verschiedensten gestreckten Längen. Eine in den
meisten Fällen im Plan erkennbare Verjüngung vom Angelpunkt ausgehend nach beiden Enden erreicht
man - in den Schraubstock gespannt - mit feinsthiebiger Feile oder Schmirgelholz. Nach diesem
Arbeitsgang legen wir die Streifen für die Fingerlingsfedern erst mal in den Kasten für
vorgearbeitete Teile. Jetzt geht's an die Herstellung dieser verzwickten Scheren (siehe Bild 69).
Wenn man einen Fingerlingsdurchmesser von 1 mm annimmt, ist das erste Hilfsmittel, das zum
Einsatz kommt, ein 1-mm-Bohrer, um dessen Schaft der jeweilige Streifen gebogen wird (siehe Bild
70, Position a). Zum Schließen der Öse bedarf es einer entsprechend präparierten Zange (Bild 70,
Position b). Die Rillen lassen sich mit einem Diamantschleifstift herstellen. Die Streifen werden
dann möglichst nahe an der Zange auseinandergebogen (Position c). Jetzt braucht man die beiden
Schenkel "nur noch" entsprechend der Stevenbreite abzuwinkeln. Und, wenn dabei Fortuna etwas
mitspielt, liegt die Öse nach dem Umbiegen genau in der Mitte. Mein Verhältnis zu dieser Maid
scheint hierbei etwas gestört zu sein. Also wieder runter in den Keller und zwei Hölzchen gesägt,
für die auf Bild 71 dargestellte Biegevorrichtung (Maß 1,2 gilt für 0,3er Blech und 1 mm
Zapfendurchrnesser). Dieses "Dingelchen" hat kaum den Namen "Vorrichtung" verdient, aber es
funktioniert. (Beim Biegen empfiehlt es sich, die Vorrichtung einzuspannen und jeweils mit einem
kleinen Schraubenzieher an bezeichneter Stelle beizuhalten.)
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Bild 69: Ruderschere. |
Bild 72: Positionieren der ersten Ruderschere. |
Noch ein Tip zur Herstellung: Wenn keine Möglichkeit besteht, die Bohrung genau auf Mitte zu
legen, sollte man zuerst bohren und dann die Mittellage durch Abnahme am Holz erreichen. Nachdem
auch die beiseitegelegten Streifen um das Ruder herum zu einer U-Form gebogen sind, können alle
Befestigungslöcher auf ein Brett mit Steven bzw. Ruderdicke geschoben, angerissen, angekörnt und
auf 0,5 bis 0,6 gebohrt werden. Zum Körnen dient in diesen feinen Bereichen kein Schlagwerkzeug,
sondern eine kleine Feile, an deren Spitze eine Pyramide angeschliffen wurde. Die Körnung wird
also zum Bohrvorgang.
Apropos Bohren.
Mit dem Bohren ist die Möglichkeit, die üblichen Scheinköpfe von innen herauszudrücken, dahin.
Jedoch neben dem Nachteil, daß jetzt irgendwie Mini-Befestigungsbolzen her müssen, haben die
Bohrungen einige Vorteile: Während der Klebevorgang zum Beschlagen des Ruders noch gut ohne
Befestigungsbohrungen vorgenommen werden kann, kann die Befestigung der Scheren am Schiffskörper
zum Alptraum werden. Die Möglichkeit zu haben, die Scheren durch Abstecken zu fixieren, ist schon
etwas Gutes.
Beim Befestigen der Bänder am Ruder genügt es, wenn man die Federschenkel pro Seite 1 x
absteckt. Der Druck erfolgt dann mit einer Wäscheklammer. Wenn man beide Schenkel gleichzeitig
kleben will, verrutscht meistens eine. Also: alle Schenkel backbord, abbinden lassen, Fingerlinge
mit Kleber einsetzen, alle Schenkel steuerbord.
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Bild 71: Biegehilfe. |
Bild 70: Biegen der Ruderscheren. |
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Montage der Ruderscheren |
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Die Tatsache, daß die Höhenlage der Beschläge am Ruder durch die Fingerlingsausnehmungen
diktiert wird und keine Kompromisse zuläßt, erfordert eine genaue Ausrichtung der Scheren nach
den Ruderbeschlägen. Bei der Schwere dieses Falles kann ein chronologischer Ablauf nicht
schaden:
- Einhängen der am wenigsten geformten Schere in die entsprechende Fingerlingsposition.
- Ruder mit Schere vor Ort bringen und nach Festlegen der Höhe am Steven mit 0,5er Bohrer (der
im Röhrchen oder im Kleinschraubenzieher eingespannt wird) am Steven abbohren.
- Bei dem jetzt folgenden Absteckvorgang muß nicht nur positioniert werden, sondern auch
beigedrückt. Das erreichen wir in der gleichen Weise, in der die Planken festgesteckt wurden, mit
Nadel und geschlitzter Zange (siehe Bild 72).
- Die endgültige Anpassung am Schiffskörper kann wegen der Formänderung je Höhenschicht erst
jetzt vorgenommen werden.
- Abbohren und Feststecken der übrigen Bolzenstellen.
- Ankleben der ersten Schere. Für diesen Vorgang ist wohl 2-Komponentenkleber der geeignetste.
Die Aushärtung dauert zwar etwas länger, aber dafür hält sie auch.
- Bei der Anpassung und Fixierung der übrigen Scheren dient die erste nach Abbinden des Klebers
als Ausgangsposition. Die ganze Sache wird von Aufhängung zu Aufhängung stabiler und einfacher.
Ein paar bereitliegende Lederstückchen von 3 x 3 mm mit 0,5er Mittelbohrung können für den Fall,
daß das eine oder andere Plättchen nicht auf Druck kommt, als Unterlage dienen.
Günter Bossong