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07.2004

erschienen in MODELLWERFT 4/96

Butzenscheibenimitation


Vorwort Diverse Formen Form A Form B/C Form D/F und E Scheibengießen
button4.gif Vorwort -.-   

Ein bißchen Glasgeschichte zum Aufwärmen kann nicht schaden. Daß Glas kein Kristall ist, sondern eine Flüssigkeit, die nur zufällig bei Raumtemperatur feste Form angenommen hat, wissen wir noch aus der Schule. Nur, so richtig interessante Sachen wie z. B. die Bedeutung des Namens Butzenscheiben hat man uns nie erklärt. Also: Was unsere Vorfahren schon früh konnten, war Glasschmelze herstellen, lange Pfeifen reinstecken und Kugeln aufblasen. Wenn die dann erstarrt waren, wurde die Pfeife abgebrochen. Oft gingen diesem Abbruch eine Reihe von Verschönerungs- und Veredelungsarbeiten voraus.

Wäre der Ballon nicht einmal einem kräftigen Bläser geplatzt und hätte dieser dann nicht auch noch das Blasrohr zwischen den Händen gerollt, was die Glasmasse wie einen Teller nach außen fliegen ließ, so hätte es wahrscheinlich auch nie Butzenscheiben gegeben. Wenn auch diese Beschreibung nur so ungefähr der früheren Fertigung entspricht, eins stimmt: Nämlich, die abgebrochene Pfeife ließ einen gut sichtbaren "Butzen" im Zentrum der etwa 15 cm großen Scheibe zurück. Als man mit der Zeit lernte größere Ballons zu blasen, wurden diese seitlich aufgeschnitten und ausgelegt. Daraus entstanden dann größere viereckige "Scheiben". Der Name Scheibe ist erhaltengeblieben, und kein Mensch merkt mehr, daß eine Scheibe von der Definition her rund ist. Daß jedoch die Scheiben, die anschließend als Butzenscheiben verkauft werden, weder rund sind noch die berühmten Butzen aufweisen, merkt jetzt jeder. (Ich fürchte, meine Schwatzhaftigkeit verdirbt das ganze Geschäft.) Wenn wir auch zu einem späteren Zeitpunkt wirklich runde Butzenscheiben versuchen werden, jetzt werden sie erst einmal so gemacht wie sie auf Bild 99 (MW 12/95) zu sehen sind.

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Bild 121: Positionieren des Gitternetzes: richtig/falsch Bild 122: Die diversen Formen Form A der Drahtstege

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button4.gif Diverse Formen -.-   

Mit Sicherheit hat es diese Art Scheiben auch gegeben. Und, wenn es hier auch keine Punkte für historische Korrektheit gibt, dann gibt es sie für fleißige Detailarbeit, und gut aussehen tun sie auch. Das Vorhandensein von Fenstern mit hinterlegter Folie wird hier vorausgesetzt, und falls das Einsetzen von Buntglas von vornherein geplant war, konnte man sich die übergroße Vorsicht bei den Klebevorgängen sparen. Dafür kommt's jetzt aber ganz dick: Ein diagonales Gitternetz mit einem Abstand von ca. 2,5 mm in einem Winkel von ca. 60 Grad. Das Aufzeichnen auf Transparentpapier in etwa doppelter Größe der gesamten Fensterpartie dürfte noch keine Schwierigkeiten machen, und wenn jetzt noch jemand "sattelfest ist in der Methode des Ätzens über den Fotolackweg, wäre das Schlimmste überwunden. Ich hab's noch nicht versucht, also halte ich mich hier zurück.

Bei der hier gewählten Methode müssen alle diese kleinen Gerippestückchen abgelängt und geschrägt werden. Das hört sich nicht nur kompliziert an, das ist es auch trotz aller Hilfsmaßnahmen. Es wäre eine wesentliche Vereinfachung, wenn man die Schrägen durch eine 90-Grad-Ablängung ersetzen würde, aber, erstens sieht es nicht so gut aus, und zweitens wird die Funktion als Damm beeinträchtigt; denn als solcher muß der Rahmen beim Eingießen der Scheiben dienen.

In Anlehnung an die allgemeine Erkenntnis, daß eine exakte Problemdefinition schon die halbe Problemlösung darstellt, folgt hier eine Aufzählung dessen, was gebraucht wird und des bereits Vorhandenen. Vorhanden sind eine gerade Unterlage mit Umrahmung und eine Skizze, wie das Gitternetz aussehen soll. Wenn man jetzt noch aus der Skizze pro Scheibe einen Bereich auswählt, ausschneidet und hinter die Scheibe klebt, ist schon eine gute Ausgangsposition vorhanden (siehe Bild 121).

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Bild 123: Vorbereitung zum Ablängen Bild 124: Winkel abstechen,
2. Seite
Bild 125: Drahtschneider

Übrigens ist es besser, wenn man schon vor dieser optischen Ausrichtung den äußeren Drahtrand einklebt. Um gleich bei dem Draht zu bleiben: Kupferdraht ohne Isolierungsschicht mit einem Durchmesser von ca. 0,4 mm in den unmöglichsten Längen und mit den unmöglichsten stirnseitigen Winkeln ist das, was wir brauchen (siehe Bild 122). Die klassische Fertigungsmethode Maßnehmen/Nach Maß fertigen/Einsetzen, ist hier nicht anwendbar. Auch unser "Analogverfahren" bedarf einiger Zusätze. Bei den ganz winzigen Stückchen lehnen wir uns an das in der modernen Technik angewandte "Paarungsverfahren" an.

Als Vorbereitung - geltend für alle aufgezeigten Formen - wird ein Stück Draht abgelängt auf ca. 50 mm, an einer Seite ein Winkel von ca. 5 mm umgebogen und an der anderen der steilste Winkel abgestochen. Der steilste Winkel wird als erster genommen, weil in diesem Stadium noch eine Nacharbeit auf dem Analogwinkler möglich ist (siehe Bild 123).

Die Beschreibung der jeweils nachfolgenden Arbeitsgänge beginnt mit


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button4.gif Form A -.-   
  1. Strecke "S" abgreifen und um Maß "X" reduzieren (siehe Bild 122). X (bei 45 Grad) = D x 0,7 mm. X bei über 45 Grad ist etwas kleiner, bei unter 45 Grad etwas größer.
  2. Andere Seite geforderten Winkel abstechen:
    1. Eingestellte Schieblehre flach auf eine Hartstoffunterlage auflegen und den Draht mit der fertigen Seite gegen den Tiefenanschlag unter die Zunge legen.
    2. Stecheisen ansetzen und Schieblehre wegschieben.
    3. Während die eine Hand den Draht auf der Unterlage hält, dreht die andere das Scheibchen in die entsprechende Winkellage und sticht ab (siehe Bild 124).

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button4.gif Form B/C -.-   

Die Abläufe sind gleich Form A, außer, daß hier die Strecke X addiert wird (Bild 122).


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button4.gif Form D/F und E -.-   

Während die Arbeitsfolgen im Prinzip der unserer Formen C und B entsprechen, kommt doch etwas Wesentliches hinzu:
die Winzigkeit der Teile, auch wenn sich die größeren Stücke (Form A-C) noch packen und etwas "nachfummeln" lassen. Hier hört's auf. Was jetzt noch helfen kann, ist die vorher erwähnte "Paarungsmasche". Für diesen Fall heißt das, viele kleine Stücke abzustechen. Eins wird schon passen! So ganz ohne System geht es jedoch hierbei auch nicht; wenn man sich nämlich die jeweils letzte Schiebelehrenstellung merkt, kann man sie nach der Paßprobe entsprechend verstellen. Das gleiche ist natürlich auch bei den längeren Stücken praktikabel. Auf keinen Fall sollte man die nicht passenden wegwerfen. Wenn man sich die jeweilige Schieblehrenstellung gemerkt hat, lassen sich die Stückchen nach Maß einordnen und es entsteht ein Lager, aus dem man sich beim nächsten Fenster bedienen kann. Für die am häufigsten anfallenden Stücke Form D lohnt sich die Herstellung einer ganz einfachen Hilfseinrichtung (siehe Bild 125).

Durch die einheitlichen Winkel wird die jeweils zweite Seite die jeweils erste des nächsten Stückes. Während des Abstechens muß der Anschlag weg, sonst wird das Stück durch die Keilwirkung verformt. Wenn das Fenster einen Bogen hat, ist zwar der Einpaßvorgang etwas schwieriger, aber die Vorgehensweise ist die gleiche.

Im Sinne einer fertigungstechnischen Zusammenfassung wurden alle Ablängarbeiten gemeinsam behandelt. Der wirkliche Ablauf jedoch schließt Klebevorgänge ein. So wird zuerst der Rahmen Form A eingeklebt, dann werden die Stücke Form B/C eingepaßt und geklebt. Erst, wenn die dann fertig sind, kommen die kurzen dran. Was den Klebstoff anbetrifft, gilt die Regel: Wenn sich ein Teil so fixieren läßt, daß man Klebstoff dazu bringen kann, ohne daß das Teil verrutscht, Sekundenkleber, sonst nimmt man halt was anderes. In diesem Fall schnellbindenden Zweikomponenten-Kleber. Während die Jungen diese Arbeiten meist noch schaffen, empfiehlt sich für die "alten Hasen" die Verwendung einer Lupe.

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Bild 126: Kohäsion-Adhäsion Bild 127: Wechselweise Scheiben gießen

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button4.gif Scheibengießen -.-   

Der letzte Akt der Fensterherstellung ist die Arbeit des Glasers. Die jetzt folgende Beschreibung bedeutet einen Vorgriff auf einen Artikel über Gießen von Epoxydharz. Der einzige Grund für die Verwendung dieses Harzes anstelle von gewöhnlichem Gießharz ist das Mischverhältnis. Während bei gebräuchlichem Gießharz mit einer Härterzugabe von ein paar Prozent die Mischung von Kleinstmengen planmäßig danebengeht, läßt sich Epoxydharz auch bei geringen Mengen exakt mischen. Auf je zwei Tropfen Harz kommt ein Tropfen Härter LFI. Der Härter läßt sich zwar tropfenweise dosieren, das Harz jedoch kommt gleich in einem dicken Strahl. Der wird "überlistet", indem man einen Stab eintaucht, von dem dann nach jedem Eintauchen die Tropfen zählbar ablaufen.

Was jetzt kommt, ist zwar nicht ganz so kompliziert wie das Abgießen eines kleinen Ornamentes oder einer kleinen Figur, aber es ist schon einiges zu beachten: Die grüne Färbung wird erreicht mit Deka-Glasfarbe dunkelgrün, indem man das Grün mit dem Harz mischt und erst den Härter dazugibt, nachdem sich die kleinen Absonderungen, die sich anfangs bilden, aufgelöst haben.

An dieser Stelle sind ein paar Sätze Wissenschaft" nicht zu umgehen. Gemeint ist das Wechselspiel zwischen Kohäsion (Zusammenhangskraft) und Adhäsion (Anhangskraft), welches hier - wie auch später bei der Formherstellung - eine große Rolle spielt (siehe Bild 126). Bei a ist die Kohäsion größer, bei b die Adhäsion. Die Vorherrschaft welcher Kraft hier anzustreben ist, ist klar. Unmittelbar nach dem Mischen ist die Adhäsion so groß, daß die Masse scheinbar gegen jedes Naturgesetz an der glatten Wand hochläuft.

Nach etwa einer Stunde fängt die Kohäsion an größer zu werden. Jetzt ist es Zeit, ein Teil der Felder zur Hälfte zu füllen. Hierbei muß vermieden werden, aneinander grenzende Felder zu nehmen, weil erstens die Gefahr, daß das Harz über den Draht läuft, größer wird, und weil man zweitens im Falle des Überlaufens bei einer freien Seite die Möglichkeit hat, das Harz mit einem Zahnstocher vom Draht abzustreifen (siehe Bild 127a). Nach etwa drei Stunden können die restlichen Felder zur Hälfte mit Ein-Stunden-Harz gefüllt werden (siehe Bild 127b). Frühestens, wenn das dazu gegossene Harz nicht mehr in dem anderen verläuft, können die Wölbungen wechselweise mit dem Zahnstocher aufgebracht werden (siehe Bild 127c und 127d). Hierzu sollte das zu addierende Harz so weit geliert sein, daß es gerade noch zu einer Kuppelform zerläuft (drei bis vier Stunden). Oft muß jedoch mit einer Nadel etwas nachgeholfen werden, um das schon etwas dickflüssige Harz bis in die Ecken zu bringen. Die angegebenen Zeiten können sich in Abhängigkeit von Wetterlage und dem genauen Mischungsverhältnis etwas ändern. Es wäre also nicht das Schlechteste, wenn man zu Beginn ein paar Tests an einem Versuchsfenster durchführt.


Günter Bossong

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