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Baupraxis
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mb-12-01.htm; 01.2012
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b01k.jpgGalionsfigur für die Bounty
Baubeschreibung von Willi Pülmanns

Klaus rief mich an, ob ich ihm nicht die Schnitzereien für sein Modell der „Bounty” machen könnte. Auftragsarbeiten sind eigentlich nicht so mein Ding, Nein sagen aber auch nicht.

Zu den Schnitzereien gehört natürlich auch eine Galionsfigur, wobei durchaus umstritten ist, wie diese aussah, bzw. ob die „Bounty” überhaupt eine hatte.

Gerold Schnebbe bekam Wind von der Sache und hilfsbereit, wie er nun mal so ist, versorgte er mich prompt mit Bildern von einem 1:1 Nachbau der „Bounty”, den er in Bremerhaven gesehen hatte und Klaus lieferte noch einen auf Modellgröße kopierten Planausschnitt. Ich dachte, ich könnte einmal versuchen, die Herstellung dieser Galionsfigur fotografisch zu begleiten und zu kommentieren. Das ist zwar schon oft von Anderen gemacht worden, dennoch sehen sich offenbar viele vor unüberwindliche Hindernisse gestellt, wenn sie selbst eine Figur herstellen sollen und vielleicht liefert ja gerade mein Bericht die kleine fehlende Info, die den Ausschlag gibt, es selbst zu versuchen.

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Es wurde also ein Entwurf gezeichnet, der sich in seiner Größe am Plan, in seinem Aussehen aber mehr an der Replica orientierte. Dieser Entwurf wurde auf eine Birnenholzleiste übertragen und grob ausgesägt.

Ein letztes Mal kam die Säge zum Einsatz, um das Material über den Schultern und neben dem Kopf zu entfernen.

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Ab jetzt kam erst mal nur noch das Messer zum Einsatz. Begonnen habe ich damit, die Linie, mit der ich die Haare auf das Profil gemalt habe, mit dem Messer nachzuschneiden. Dann konnte ich, immer nur hauchdünne Späne abnehmend das Gesicht auf diesen Schnitt zu verschmälern, so daß die Haare als Menge über der Gesichtshaut erhaben erscheinen. Der Schnitt begrenzt den Spanabhub, so daß sich nicht unbeabsichtigt ein Splitter aus der Haarpracht lösen kann. Genau so ging ich beim Cape (dieses Tuch um die Schultern) und überhaupt immer dann vor, wenn es darum ging, verschiedene Ebenen zu schaffen. Noch vorhandenen scharfe Kanten am Gesicht werden grob gerundet, das Kinn leicht angespitzt, Nase und Augenbrauen angedeutet.


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Das Wichtigste beim Schnitzen eines Gesichts ist die Einhaltung der Proportionen. Die Skizze zeigt, daß die Augen und die Ohrenspitzen exakt mittig zwischen Scheitel und Kinnspitze liegen. Die Nasenspitze wiederum ist genau mittig zwischen Augen und Kinnspitze, die Unterkante der Unterlippe mittig zwischen Nasen- und Kinnspitze, usw. Die Schwierigkeit bei einigen Figuren, so auch bei meiner ist, daß sie einen Hut tragen und daher der Scheitel nicht sichtbar ist. Hier kann man sich nur auf seine Vorstellungskraft oder Intuition verlassen. Im Zweifel setzt die Augen etwas niedriger an, meist liegen sie dann richtig, weil man die Augen höher im Gesicht vermutet, als sie tatsächlich sind. Das liegt daran, daß wir als Gesicht zunächst nur den Teil wahrnehmen, der nicht von den Haupthaaren bedeckt ist. Dieser Teil ist für die Erkennung eines Individuums der Wichtigste und Menschen neigen dazu, das was ihnen wichtig ist zu überzeichnen und den Rest zu übersehen, bzw. bei der Positionierung nicht mehr mit zu berücksichtigen (besonders gut zu sehen in Kinderzeichnungen, die Augen sind fast immer zu hoch im Kopf).

Weiter geht es, immer noch nur mit dem Messer. Die Arme und die Falten des Rocks und des Umhangs werden grob angedeutet. Wenn ich hier schreibe grob angedeutet, dann meine ich damit, daß ich zwar bereits hier versuche, die Formen heraus zu arbeiten, daß ich aber noch Reservematerial stehen lasse, denn die Krux beim Schnitzen ist ja, daß man nur dadurch gestalten kann, daß man Material wegnimmt. Zuviel weggenommen bedeutet einen mißlungenen Versuch. So lasse ich dann Arme und Hände etwas dicker, die Stofffalten etwas weniger tief und das Gesicht etwas runder als angestrebt.

Irgendwann kam ich dann zu dem Schluß, daß ich mit dem Messer nicht mehr richtig weiter kam, daß nun feinere Werkzeuge zum Einsatz kommen sollten. Ich verwende dazu meine Mini- Bohrmaschine mit einer Biegewelle und verschiedenen Fräswerkzeugen, von fein bis sehr sehr fein.

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Leider habe ich nach dem Bild links bis zur Fertigstellung keine weiteren mehr gemacht. Einmal mit den Feinarbeiten angefangen, war ich so sehr bei der Sache, daß ich alles, aber wirklich alles um mich herum vergessen habe, so auch das Fotografieren (besser, als jedes autogene Training). Ich könnte auch schwer beschreiben, was zwischen dem obigen und den letzten Bildern passiert ist. Im Wesentlichen ging es darum, die grob vorgearbeiteten Konturen nach und nach vorsichtig zu verfeinern, zu vertiefen und - vor allem beim Gesicht - ihnen Ausdruck zu verleihen, aber das ist alles eine Sache, bei der immer nur, wenn überhaupt von einem Zug zum nächsten gedacht wird. Nach jedem Zug mit der Fräse wird geschaut und neu entschieden, wo weiterer Spanabhub erforderlich ist. Hier spielen jetzt Intuition und Gefühl die größte Rolle.

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Bei einem Gesicht von weniger als 5 mm vom Hut bis zur Kinnspitze ist das nicht so einfach, denn selbst das entfernen allerwinzigster Splitter verändert den Gesichtsausdruck vollkommen. Korrekturen sind zwar möglich, aber nur so lange, wie die Proportionen noch Reserven beinhalten. Irgendwann war das Gesicht dann so schmal geworden, daß keine weitere Korrektur mehr möglich waren und so blieb es bei dem etwas grimmigen Gesichtsausdruck der Dame (der freilich nur erkennbar ist, wenn man eine Lupe zur Hand nimmt, oder die Makroaufnahmen hier betrachtet).

Insgesamt habe ich bis zur Fertigstellung ca. 10 Stunden benötigt. Bedenkt man aber den Effekt, den man mit einer einigermaßen ordentlichen Galionsfigur erzielen kann, wäre auch ein Vielfaches an Zeitaufwand dafür gerechtfertigt.


bis denne
Willi Pülmanns


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