Modellbau
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mini-sail e.V. |
Das Antik-Modell vom Dachboden
Modellsegelyacht der Klasse F
Knickspant-Typ mit Windfahnensteuerung
Baubeschreibung von ALFRED KLINCK
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Historische Studien | -.- | |
Eigentlich bin ich Modellflieger und betreibe hauptsächlich kleine Gummimotorflugmodelle und Saalflug. Seit mehreren Jahren befasse ich mich auch mit Segelbootmodellen, die ich in meiner aktiven Zeit in der Schule auch im Werkunterricht eingesetzt habe - zur Begeisterung der Schüler, die sich auf einen Vormittag am Weiher immer sehr freuten. Aber auch für mich ist das Segeln am Weiher eine schöne Abwechslung; ich kann mich vor der Gartenarbeit drücken, wenn das Wetter schön ist, aber zu windig für die leichten Flugmodelle. Trotzdem ist indirekt der Modellflug der Anlaß zu diesem Artikel: In einer Zeitschrift suchte ein Modellflieger eine bestimmte Nummer einer französischen Modellflugzeitschrift. Da ich diese vor 30 Jahren abonniert hatte, wollte ich dem Kollegen gern helfen.
Die Nummer der Zeitschrift habe ich zwar nicht gefunden, aber dafür alte Ausgaben von "Modell" aus dem vth-Verlag, der damals noch Verlag für Technik und Handwerk A. u. B. Ledertheil hieß, sowie den Bauplan eines Segelbootes, der mich sofort begeisterte. Er stammt von Karl Koffend und trägt den Titel: "Modellsegelyacht der Klasse F (Knickspant-Typ mit Windfahnensteuerung)". Gemeint ist dabei wohl die damalige internationale Klasse F 1 m, das heißt Segelboote mit maximal 1 m Länge und 40 dm2 Segelfläche. Fragen beim Verlag zum Bauplan bei den Herren Kirst und Trier ergaben, daß er im Herbst 1963 veröffentlicht wurde; Koffend hat sein Boot also vor knapp 40 Jahren konstruiert, als die Fernsteuerung noch in den Kinderschuhen steckte und Regatten mit Booten mit einer Selbststeuerung veranstaltet wurden.
Wo der Bauplan zusammengelegt war, zeigt deutlicher Gilb sein Alter an. |
Was eine Windfahne ist, wußte ich aus einem Buch von Orazio Curti aus dem Delius-Klasing Verlag: "Enzyclopädie des Schiffsmodells". Curti muß das italienische Original zwischen 1950 und 1965 geschrieben haben (Titel der Originalausgabe: "Modeli Navali", Mailand 1968), denn er berichtet erst im letzten Teil über die Fernsteuerung als "neueste Entwicklung". Unter anderem gibt er eine genaue Bauanleitung für eine Windfahnensteuerung. Das Prinzip ist einfach: Auf dem Heck steht eine Windfahne aus Balsaholz, vergleichbar mit dem Hahn auf dem Kirchturm. Wird das Boot zum Beispiel durch eine Bö aus seiner Richtung gedreht, dreht sich die Windfahne in den Wind und betätigt das Ruder unter Wasser so, daß das Boot wieder in seine ursprüngliche Richtung fährt.
Das war die Grundlage für Regatten, bei denen die Segelboote praktisch nur geradeaus fuhren
und das schnellste siegte: An Land wurde von einem Steg gleichzeitig gestartet; im See es 100 m
vom Ufer weg einen Ponton, wo die Boote aufgefangen wurden, und zwischen Ponton und Landesteg
fand ein Pendelverkehr mit einem Ruderboot statt. In Holland gab es Anlagen, wo an den Binnenseen
große Stegvierecke gebaut wurden, damit die Boote rundum aufgefangen werden konnten man bei
Regatten alle Segelkurse fahren konnte.
Es gab da auch andere Bootsklassen, unter anderem eine ganz große Sorte bei der der Rumpf über 2
m war und der Mast fast 3 m hoch, das Ganze dann mit 30 kg Ballast!
Um mir dieses Hintergrundwissen anzueignen, mußte ich, allerdings in der ganzen Bundesrepublik herumtelefonieren, und möchte an dieser Stelle den Herren Rieß, Tangemann (Segelreferent des Nauticus) und Piel für ihre Auskünfte danken. Vielleicht können ältere Lese diese Zeit noch aktiv mit haben, noch mehr Detail steuern.
Die modernen Regattaboote sehen ja völlig anders aus als dieser Bauplan: lange, sehr schmale
Kielflosse mit einer stromlinienförmigen Ballastbombe, Kohlefaserrumpf, maximale
Wasserlinienlänge für optimale Rumpfgeschwindigkeit. Mast, Bäume und Segel aus GFK, CFK und
Plastik, Kugellager, drehbare Masten ohne Wanten, High-Tech-Beschläge und Fernsteuerung mit
Segelwinden usw. – alles unterliegt dem Prinzip der Leistung, denn das oberste Ziel ist
schließlich die Weltmeisterschaft.
So betrachtet, ist das Boot von Koffend überholt und nicht mehr konkurrenzfähig. Aber mit der
kleinen Fock, dem Battistsegel und dem aus dem Wasser ragenden Bug und Heck hat es sehr viel
Ähnlichkeit mit den alten, aus Mahagoni oder Eiche gebauten Drachenbooten, die man heute noch
gelegentlich auf dem Bodensee sieht, die kein Sportler zu einer Regatta mitnehmen würde, bei
deren Anblick aber jeder leuchtende Augen bekommt - wie war das mit dem Mercedes-Cabrio von
1950?
Fast selbstverständlich stand fest, daß das Boot gebaut werden muß, und es sollte von Anfang an eine Fernsteuerung und eine Windfahne bekommen, um diese Technik einfach nur zu testen.
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Alter Plan neu belebt | -.- | |
Der Bauplan enthält eine ausführliche Materialliste, an die ich mich aber nur bedingt gehalten habe, da für den Fernsteuereinbau einige Detailänderungen nötig waren und da die von Koffend angegebenen Materialien zum Teil nur noch schwer zu beschaffen und auch nicht gut zu bearbeiten sind.
Zur Lackierung macht Koffend keine Angaben; überhaupt gibt es bei ihm keine Bauanleitung, da er davon ausgehen konnte, daß die Modellbauer seiner Zeit meist erfahrene Selbermacher waren. Ich habe also alles auf Abachi und aus Pappelsperrholz 6 mm dick umgestellt; das ist leicht und einfach zu bearbeiten. Für das Deck war das mahagoniähnliche Red Cedar vorgesehen – Bootskörper weiß, Deck holzfarben. Die Kielflosse besteht nicht aus Alu wie beim Original, sondern ebenfalls-, aus Pappelsperrholz, Mast und Bäume sollten aus Kiefernrundstäben mit 10 mm Durchmesser angefertigt werden; das ist bei einem Mast von 130 cm über Deck und Wanten ausreichend.
Als Kleber wird bei meinen Eigenbau-Bootsrümpfen fast ausschließlich Uhu-Plus Endfest verarbeitet, weil er spaltfüllend, wasserfest und gut schleifbar ist. Obendrein läßt er sich sehr lange verarbeiten und trocknet nie, bevor die Leimstelle richtig sitzt. Koffend hatte da wohl vor 40 Jahren mehr Mühe, weil es die Kunstharze noch nicht gab.
Ursprünglich entstand das Boot auf einer Hilfs-Bauhelling. Diese Arbeit spare ich und verwende
ein ebenes Baubrett, auf welchem das Boot kopfüber aufgebaut wird. Das verhindert ungewollte
Verzüge.
Im Plan ist der Bug etwa 15 mm hochgezogen; das klappt bei meiner Methode natürlich nicht so
einfach. Ich habe daher den Spantenriß auch entsprechend angeglichen, was aber die Optik des
Modells nicht verändert.
Gegenüber Koffends Plan habe ich Bug- und Heckklotz verlängert; die beiden beginnen bereits bei
Spant 1 beziehungsweise 8. Das erleichtert insofern die Arbeit, als man im Bereich der stärksten
Krümmung keine Planken biegen muß. Von der Planung her war ein Endgewicht von etwa 3 kg zu
erwarten; bei einer Länge von 1 m und 20 cm größter Breite müßten Bug und Heck noch schön weit
aus dem Wasser ragen, eines der wichtigsten Charakteristika von Regattabooten und Modellen dieser
Zeit.
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Bau des Modells | -.- | |
Nach dem Bau des Gerippes legte ich das Boot auf seinem Hellingbrett unter die Ständerbohrmaschine und bohrte die Löcher für Mast und Ruderkoker. Das sichert den absolut senkrechten Sitz von Mast und Ruder, was für die Manövrierfähigkeit des Bootes von entscheidender Bedeutung ist. Bei Karl Koffend steht der Mast auf einer Schiene und wird nur von Wanten gehalten; man kann ihn dann verschieben, aber einstecken ist schneller, sicherer und leichter in der Handhabung.
Das Deck sollte ein Blickfang werden. Ich habe daher die Decksform auf ein großes Blatt Papier übertragen und darauf dann das Deck gebaut. Im Bereich der Spanten wurden Leisten mit einer Oberseitenwölbung aufgesetzt und die Planken (10 mm breit, 4 mm dick) von außen nach innen zum Deck zusammengeleimt. Dabei mußten alle Planken vorn und ein Teil auch hinten spitz angeschliffen werden, wo sie an der Mittellinie des Decks zusammentreffen.
Das Ruder besteht aus 8 mm dicken Abachi, das 4 mm breit geschlitzt wurde; in den Schlitz ist
dann die Messingruderachse mit 4 mm Durchmesser geleimt.
Das Ballastblei habe ich in einer einfachen Form aus Mauersand selbst gegossen - alter Topf und
Kochplatte genügen! Die beider Bleiteile mußten natürlich noch bearbeitet - eine grobe Raspel geht
am besten – und am Kiel mit Hülsenmuttern verschraubt werden. Das Blei wird nicht verleimt,
damit es für den Transport abgenommen werden kann.
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Segel | -.- | |
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Bewährt sich das Konzept? | -.- | |
Die Schiffstaufe mit anschließendem Segeltörn fand an einem Juninachmittag statt. Wir haben die Sektflasche nicht am Bug des Bootes zerschlagen – das wäre der leichten Holzkonstruktion wohl nicht bekommen. Sie wurde also ganz normal geöffnet, der Inhalt von zwei Gläsern über Bug und Heck gegossen und das Boot so auf den Namen "Waltraud" getauft. Den Rest hat dann die Taufgesellschaft getrunken.
Die ersten Versuche mit der Windfahne verliefen gut. Die Windfahne reagiert sofort auf Richtungsänderungen des Windes; sie nimmt dann das Ruder mit und das Boot dreht einige Grad. Das äußert sich dann in leichter Schlangenlinie. Leider konnte ich das Boot nicht über eine längere Strecke damit segeln lassen, da der Stausee so groß ist und es sich deshalb nicht außer meiner Reichweite bewegen durfte. Vielleicht ergibt sich im Herbst die Gelegenheit, die Windfahnensteuerung in einem Schwimmbad ausführlich zu testen.
Die ganze Arbeit mit diesem Modell hat mir jedenfalls sehr viel Spaß gemacht - es war bestimmt nicht das letzte Projekt dieser Art.